Lerche

Derek Kosztolányi
Derek Kosztolányi
Lerche von Dezsö Kosztolányi ist ein ganz stilles Buch.
So still, daß ich es fast beim Lesen selbst vergaß.
Ganz ruhig werden einige Tage in einem kleinen ungarischen Provinzstädtchen geschildert: Die Tochter ist für eine Woche verreist und die Eltern gehen ins Restaurant, ins Theater, der Vater trifft alte Freunde wieder und dann kommt die Tochter zurück.
Das ist wenig.
Das ist viel. Denn in diesen Tagen zerbricht eine ganze Welt.
Und ich als Leserin merke plötzlich, wie sich lesend meine Wahrnehmung ändert: die Beschreibung des Alltags in der kleinen Stadt hat gar nichts Anheimelndes, der Ort wird äußerst abschätzig geschildert, das alte Ehepaar befreit sich aus der lähmenden Gegenwart der Tochter, die altjüngferliche Tochter ist nicht das Opfer strenger oder engherziger Eltern, nein die Eltern haben im Zusammenleben mit ihrer Tochter ihre Spontaneität, ihre Freiheit, ihren Freisinn verloren, die Tochter hat die Fäden in der Hand.
Aber die Tochter ist auch nicht frei. Sie ist ebenfalls eingebunden in das alltägliche Arrangement der Verachtung aller Freuden des Lebens, auch sie kann sich nicht öffnen.
Ehe die Tochter heimkehrt, in einer Nacht, schlägt der Vater über die Strenge, spielt Karten, trinkt und im Rausch und im KaterJammer erkennt er plötzlich das Elend, in dem sie leben. Er spricht es aus, benennt es.
Aber dann kommt die Tochter zurück und das Leben geht weiter.

Dezsö Kosztolányi ist auch der Autor von Ein Held seiner Zeit. Die Bekenntnisse des Kornel Esti, mir ebenfalls empfohlen von Frau Herbst in der Buchhandlung Christiansen.
Aber dieses Buch hat mich bei weitem nicht so getroffen wie Lerche.

Dezsö Kosztolányi: Lerche
Suhrkamp; Auflage: 2., Aufl. (Februar 2008)
ISBN-10: 3518224239
ISBN-13: 978-3518224236
14,80 €