Die Ruhe

Attila Bartis
Attila Bartis

Die Ruhe von Attila Bartis habe ich zuende gelesen und muss sagen, die Beklemmung steigert sich zum heftigen Ende.

Ich möchte nichts vorwegnehmen, aber so sehr unterscheiden sich Sohn und Mutter letztendlich nicht.

Attila Bartis: Die Ruhe
Gebundene Ausgabe: 299 Seiten
Verlag: Suhrkamp; Auflage: 1 (10. August 2005)
ISBN-10: 3518416820
ISBN-13: 978-3518416822
Originaltitel: A Nyugalom

Ich komme zur „Ruhe“

Attila Bartis
Attila Bartis

aber damit beziehe ich mich noch einmal auf Die Ruhe von Attila Bartis.

Das ist nicht nur dicht gedrängt, das ist bedrängend, das nimmt die Luft beim Lesen, ist gewalttätig und sensibel zugleich.

Sexuelles Verlangen und Mutterbindung, Liebe und Rohheit – ich habe es noch nicht zu Ende gelesen, ich geniesse das Lesen dieses Buches auch nicht, es ist anstrengend, aber es lohnt sich.

Juri Andruchowytsch macht Mut

Und was bleibt dem ukrainischen Schriftsteller in einer Zeit, da der Durchschnittsukrainer davon träumt, dieses Land für immer zu verlassen, ein Land, „um das es nicht schade ist“? Soll auch er es verlassen? Die Sprache wechseln? Aufhören zu schreiben?

Anders gesagt, ist Dichtung nach Tschernobyl möglich? Zu Zeiten von Tschernobyl, am Ende der Zeiten?

Da ist er, der Schriftsteller. Seine Leserschar schrumpft, sie besteht nur noch aus Leuten, die genauso erfolglos sind wie er. Seine Sprache zieht einen engen Kreis um ihn, sie ist nicht mehr Mittel der Verständigung, sondern Festung oder genauer: Schneckenhaus. Seine Zukunft – die letzte Zukunft des Graphomanen – ist durch nichts gerechtfertigt (er hat nur eine dumme und zynische Generation um sich, die Besten hauen ab, migrieren, emigrieren, mimikrieren). Niemand hat ja das Recht, den Leuten zu verbieten, sich einen besseren Ort zu suchen, auch der Schriftsteller nicht.

Was bleibt ihm dann noch?

Ich finde, ihm bleibt gar nicht wenig: der Wunsch möglichst gut zu schreiben. In einer verlumpten Gesellschaft, wo nicht Ideen, sondern Instinkte herrschen, bleibt die Rolle des Schriftstellers dieselbe. Sie ist immer dieselbe. Der einzige Unterschied: er muß sich darüber im klaren sein, daß er nicht gehört wird. Das entbindet ihn jedoch nicht von der Verantwortung, gut zu schreiben. Das ist nämlich eine Verantwortung vor sich selbst, aber nicht nur.

Denn ihm bleibt die Hoffnung. Eine Hoffnung, die auch nach Tschernobyl möglich ist.

Deshalb höre ich nicht auf zu hoffen, daß wir alle den nächsten April erleben werden. Der Frühling wird endgültig die Oberhand gewinnen, das Wetter triumphieren, die Bäume werden zu blühen anfangen, das Gras wird grünen, so schön es nur kann, mein Sohn wird vierzehn Jahre alt sein. Schon ist mein neuer Roman in nächster Nähe – zu Hause häufe ich frisches Papier an, Geduld, Zeit, Ironie, Liebe, verwandle mich in einen Hörenden, den Anstoß kann irgend etwas geben oder auch alles auf der Welt, ich weiß es nicht.

Mit einem neuen Jahrhundert ist es wie mit einem neuen Roman. Man muß den Mut haben damit anzufangen.

zitiert aus „Tschernobyl, die Mafia und ich“, in: Juri Andruchowytsch, Das letzte Territorium, Essays, edition suhrkamp 2446, 2003, Seite 121f.

Potjag 76, das Internet-Projekt von Juri Andrychowytsch und Anderen

Jonathan Safran Foer – Alles ist erleuchtet

Jonathan Safran Foer
Jonathan Safran Foer

ein unglaubliches Buch, das allerdings den Lesebeginn sehr erschwert.

Der schnoddrige Ton des jungen Protagonisten schreckt doch sehr ab.

wer durchhält, wird belohnt. Eine ungeheuer dichtgewebte Erzählung, durchwoben von verschiedenensten Geschichten aus unterschiedlichen schweren Zeiten, fasziniert. Auch wenn das Zuordnen der Ebenen oft schwerfällt; aber sich auf das Buch einlassen und lesen, einfach lesen…

wirklich ein erstaunlicher junger Mann, dieser J.S.F.

Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet
Broschiert: 384 Seiten
Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 8 (18. Januar 2005)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596156289
ISBN-13: 978-3596156283
Originaltitel: Everything is Illuminated

Eginald Schlattner: Rote Handschuhe

Eginald Schlattnerstolz bin ich:

Im Februar erscheint im dtv-Verlag die Taschenbuchausgabe des Bandes "Rote Handschuhe" von Eginald Schlattner.

Eine Auseinandersetzung mit Schuld und Verstrickung im stalinistischen Rumänien.

Die Photographie auf dem Umschlag stammt von mir, aufgenommen im Dezember 2000 in den Karpaten.

Das macht mich schon stolz.

Eginald Schlattner:Rote Handschuhe: Roman
Taschenbuch: 608 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Februar 2003)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3423130458
ISBN-13: 978-3423130455

Und weils so schön ist, im Anhang das Titelbild in gross…

Eginald Schlattner

Mukhtar Schachanow: Irrweg der Zivilisationen

Schachanow: Irrweg der ZivilisationMuchtar Schachanow gehört zu den Stimmen Zentralasiens, die sich zu für Demokratie und Aufklärung bekannt haben. Er sprach für die Völker Zentralasiens, die im Laufe der Destablisierung und des Zerfalls der Sowjetunion wieder politische Selbstständigkeit und Selbstbestimmung suchten und (teilweise) fanden. Unerschrocken setzt er sich für die Bewahrung der eigenen Kultur im Ansturm der westlichen Massenkultur ein, nun nachdem die sowjetische Kultur zerfallen ist.

Sein Poem Irrweg der Zivilisation, Ein Gesang aus Kasachstan erzählt uns in kasachischer, epischer Form von den Qualen des ungeschützten Geistes, der Sehnsucht nach Sacharow, der seelenlosen Freiheit…

Die klassischen Fragen

  • Wer sind wir?
  • Wo stehen wir?
  • Wohin gehen wir?

stellen sich neu, nachdem das sowjetische Reich untergegangen und die Massenkultur des Westens „wie eine Sintflut“ über den Osten hereingebrochen ist.

Aber sein Werk ist allgemeingültig. Auch wir, die wir in dieser Massenkultur schon lange leben, sind diesem Kulturzerfall ausgesetzt und sollten aufhorchen.

Muchtar Schachanow schreibt, daß es mir immer mehr wie Schuppen von den Augen f&oumlällt, er gibt mir aber auch eine Sicherheit, denn er formuliert das, was mich immer mehr verzweifeln läßt, in ungertübter Klarheit.

Ich lege dieses Buch allen ans Herz: wer es nicht für sich liest, sollte es wenigstens verschenken!

Die Ausgabe in russisch/englisch erschien 1999 in Almaty im Verlag Ölke

Muchtar Schachanow: Irrweg der Zivilisation. Ein Gesang aus Kasachstan

Irrweg der Zivilisation, Ein Gesang aus Kasachstan
Gebundene Ausgabe: 255 Seiten
Verlag: Pendo Verlag (1999)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 385842353X

ISBN-13: 978-3858423535

Das gemeinsame Haus Europa

Das gemeinsame Haus Europa
Das gemeinsame Haus Europa

Ich möchte ein Buch empfehlen, das mich schon eine ganze Zeit fesselt und etliche Belletristik von meiner Leseliste verdrängt hat: Das gemeinsame Haus Europa, Handbuch zur europäischen Kulturgeschichte, herausgegeben von Wulf Köpke und Bernd Schmelz.

In 138 Beiträgen wird versucht, begleitend zu einer Ausstellung des Hamburger Museums für Völkerkunde, das Thema „europäische Kulturgeschichte“ wissenschaftlich umfassend darzustellen. Ganz gleich, welches Thema gerade interessiert, man findet einen kompetenten Beitrag. Und die Vielfalt der Themen, seien es Religionsgeschichte, Geographie, Landwirtschaft und Ernährungstraditionen, Mode und Kommunikation, bietet immer wieder einen Anreiz weiterzulesen.

Wulf Köpke und Bernd Schmelz: Das gemeinsame Haus Europa. Handbuch zur europäischen Kulturgeschichte.
Broschiert – 1248 Seiten – Dtv
Erscheinungsdatum: 1999
ISBN: 3423307226