Lesungen: Felix Philipp Ingold im November 2011

Freitag, 4. November 2011:
Lesung im Anderen Buchladen (Weyertal 32, Köln), 20 Uhr

Felix Philipp Ingold: ALEPHBET (Poesie)

Samstag, 5. November 2011:
Tagung  „Schrift und Psychoanalyse“ (Köln, Kunstsalon Brühler Straße 11-13)

dortselbst: 15 Uhr bis 16 Uhr 30:

Felix Philipp Ingold: Das Wort in der Dichtung: Klangleib und Attraktor

Svetlana Geier

wir Deutsche haben das große Glück, die großen Werke der russischen Literatur von großen Übersetzern lesen zu dürfen: was Rosemarie Tietze für Tolstoi, Peter Urban für Tschechow geleistet hat, das hat Svetlana Geier für Dostojewski gestemmt.

Anders kann ich diese gewaltige Anstrengung nicht bezeichnen. Aber es ist nur ein Wort. Svetlana Geier hat mit der russischen und der deutschen Sprache, der Literatur und in der Literatur gelebt.
Svetlana Geier

Ihr Leben ist ein Spiegel des 20. Jahrhunderts und ihr Leben war von Sprache bestimmt. Sprache war ihre Aussteuer, Sprache ermöglichte ihr das Studium und das Leben in Deutschland, mit ihrer Sprache schenkte sie uns die Werke der großen russischen Schriftsteller Tolstoi, Bulgakov und Dostojewskij.

Wenn ich in Freiburg war und in Günterstal vorbeikam, freute ich mich immer, daß sie dort lebte, hätte ihr gerne Blumen gebracht, wollte aber nicht aufdringlich sein.

Im Oktober dieses Jahres musste ich ins Krankenhaus, nahm einen kleinen Video-Abspieler mit und den Film „Die Frau mit den fünf Elefanten“. Ich bin fasziniert von ihrem Wesen, ihrem Umgang mit Sprache, ihrer Arbeitsweise, und habe höchsten Respekt vor ihr.

Svetlana Geier und ihr Gegen-Leser

Dann starb sie am 7.  November im hohen Alter von 87 Jahren. Ihre Sprache wird uns Lesern und den noch nicht von ihr übersetzten Büchern fehlen.

Informationen zu Svetlana Geier in der Wikipedia.

Informationen zu dem Film „Die Frau mit den 5 Elefanten“ finden Sie auf https://www.5elefanten.ch/ und auf https://www.kino.de/kinofilm/die-frau-mit-den-fuenf-elefanten

Die Frau mit den 5 Elefanten

Schauen Sie sich den Trailer an.

Keine Bildung ist auch Bildung …

da wird im Titel-Magazin, welches ja recht oft unter der Qualitätslatte durchschlüpft, die Autorin Kerstin Ekman zu Ihrem Buch „Hundeherz“ interviewt, warum ausgerechnet ein Hund und und und…

Viele Worte.

Aber es fällt so gar nicht auf, daß es das Buch mit dem Titel „Hundeherz“ schon gibt, verfaßt von dem großen Dichter Bulgakov, der ja auch Deutschen, und vor allem deutschen Literaturkritikern und Autoren, nicht unbekannt sein dürfte.

Peinlich.

Warum Literatur wichtig ist

warum literarische Fiktion die Realität übertreffen und neutralisieren muß… schreibt Nancy Huston in der FR.

Und diesen Ausschnitt möchte ich zitieren. Er ist sehr wichtig:

Die gewollten Fiktionen (Geschichten) eines Landes liefern einen besseren Zugang zu seiner Realität als seine ungewollten (seine Geschichte). Das Lesen von Romanen – und die dadurch erlernte Fähigkeit, sich mit den Charakteren einer anderen Zeit, einer anderen Gesellschaftsschicht oder einer anderen Kultur zu identifizieren, verschafft uns Distanz zu unserer eigenen übernommenen Identität.

Da Terrorismus nicht mehr und nicht weniger ist als das Ergebnis schlimmer Fiktionen, sollten unsere Regierungen, statt Waffen zu produzieren, in den Ländern, in denen er sich eingenistet hat, die Übersetzung, Veröffentlichung und den Vertrieb der Meisterwerke der Weltliteratur begünstigen, unterstützen und fördern.

Nichts könnte nützlicher oder wichtiger sein. Je mehr die Menschen sich für realistisch halten, je mehr sie dazu neigen, Romane als überflüssiges, dummes Zeug, als Luxus oder Zeitverschwendung abzutun, desto empfänglicher sind sie für den Urtext – d.h. für Unbeherrschtheit, Gewalt und Kriminalität, für die Unterdrückung von Angehörigen oder von Frauen, von solchen, die sie für schwach halten, oder eines ganzen Volkes.

Die Flüsterer

Orlando Figes
Orlando Figes
Das Werk „Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland“ (Berlin Verlag) von Orlando Figes ist zum Buch des Monats September 2008 gewählt worden.

Zum Lesen dieses Buches brauche ich jedenfalls mehr Zeit als einen Monat. Und nicht nur wegen des immensen Umfangs. Sondern wegen der seelischen Erschöpfung…

das Leben der Menschen in der Stalinzeit war so unvorstellbar gesteuert, überwacht, eingeschränkt, der Willkür ausgeliefert, daß wir westliche Leser es uns fast nicht vorstellen können.

Ein Ehepaar lebt 50 Jahre miteinander und nicht einmal kommt die Sprache auf die Tatsache, daß beide in der Verbannung groß geworden sind; sie sprechen darüber auch Jahrzehnte später nicht, so sitzt die Angst im Leben.

Es ist wichtig, daß es dieses Buch gibt.
Es ist wichtig, daß dieses Buch gelesen wird.

Orlando Figes: Die Flüsterer: Leben in Stalins Russland
Gebundene Ausgabe: 1088 Seiten
Verlag: Berlin Verlag; Auflage: 1 (9. August 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3827007453
ISBN-13: 978-3827007452

Nabokov reist im Traum in das Innere Asiens

und ich reise mit…

Dieter E. Zimmer
Dieter E. Zimmer
Dies ist ein ganz besonders Buch und wieder einmal zeigt sich, daß das Modernes Antiquariat eine Schande für die deutschen Buchkäufer ist. Wie kann es angehen, dass ein solches Buch verramscht wird?

Ich kenne zwar die Nabokovsche Familie nicht so genau, ich weiß, daß sein Vater Mitglied einer Übergangsregierung Russlands nach der Absetzung des Zaren war, und daß er im Exil in Berlin ermordet wurde.

Nun schrieb Vladimir Nabokov den Roman „Die Gabe“ und „Die Schmetterlingsschriften des Konstatin Godunov-Tscherdnyzew“ und beschreibt in einem Kapitel eine geträumte Reise, bei der der Sohn seinen geliebten Vater auf einer Expedition in das Innere Asiens begleitet.

Woher hatte Nabokov, der nie in Tibet, Zentralasien, Westchina war, dieses Wissen? Woher kannte er all diese Details?

Er konnte in den Berliner Bibliotheken die Reiseberichte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts studieren und inzwischen sind auch alle Quellen, die er genutzt hat, bekannt.

Dieter E. Zimmer hat in einem wunderschönen Buch Ausschnitte aus den Reiseberichten der damaligen Zeit neben Nabokovs Text gestellt und es ist eine Freude, diesen Reisenden nachzuspüren.

Am besten gefielen mir die zwei amerikanischen Radfahrer…

Nun ist diese Anthologie noch von einer anderen Warte aus interessant: Die meist russischen Reisenden offenbaren hier ein imperialistisches Selbstverständnis, das derart ungetrübt uns heute doch recht bitter aufstößt.

Auch der Stolz, mit dem die Zahl der erlegten Bären pro Tag genannt wird, können wir heute nicht mehr nachvollziehen.

Ein bißchen unangebracht finde ich das Photo auf der dritten Umschlagseite, das den Herausgeber auf einem Kamel zeigt, wahrscheinlich an den Pyramiden oder in Tunesien, die Registriernummer des Kamels halb verdeckt… Ein Pauschaltourist gibt eine Anthologie äußerst individueller Forschungsreisender heraus… ;=(

Für mich ist dieses Buch deshalb auch interessant, weil ich zum Einen immer schon Reiseberichte gerne gelesen habe, zum Anderen weil ich selbst nach Zentralasien reisen werde, nach Kyrgisistan. Das im August.

Bis dahin möchte ich noch mehr solche interessanten Bücher lesen.

Dieter E. Zimmer : Nabokov reist im Traum in das Innere Asiens
Gebundene Ausgabe: 317 Seiten
Verlag: Rowohlt, Reinbek (März 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3498076639
ISBN-13: 978-3498076634