Ich bin eine kleine radikale (Leser-)Minderheit

habe ich doch einen der Worstseller des letzten Jahres in meinem Besitz, wenn nicht auch letztes Jahr erworben:

Wer sind diese Menschen? Genau drei Personen erwarben 2005 eine neue Taschenbuchausgabe von Frank O’Connors „Meistererzählungen“. So steht es in einer „Worstsellerliste“, in der Diogenes seine schlechtest verkauften Titel des vergangenen Jahres annociert. Der Züricher Verlag, bekannt in der Branche dafür, Bestseller am Fließband zu produzieren, kann sich die kokette Imagekorrektur leisten.

schreibt Brigitte Preissler in der Berliner Zeitung

und die FAZ schreibt vom Gammelbuchskandal und startet eine eigene Umfrage bei weiteren Verlegern.

Also, Enthüllung:

ich kaufte „Im Gouvernement S: Surkas Verwandtschaft“ von Leonid Dobycin bei der Friedenauer Presse, aber das schon vor 3 Jahren… und sicherlich ist auch irgend ein Band von Koeppen bei Suhrkamp ein Worstseller (sind sie ja eigentlich alle), aber dieser Verlag hüllt sich in Schweigen…

Leonid Dobycin: Im Gouvernement S: Surkas Verwandtschaft
Gebundene Ausgabe: 151 Seiten
Verlag: Friedenauer Presse (1996)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3921592968
ISBN-13: 978-3921592960
Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 12,9 x 1,9 cm

Und? Eben!


Ariane Grundis
Ariane Grundis


Ein eigentlich sehr geschätzter Verlag dient mir in seinem Newsletter einen Roman an.
Leseprobe gleich dabei:


Auf der Rückfahrt, am Pinkelbecken einer Raststätte, hatte ich zu Max gesagt, dass ich seine betroffene Fresse nicht länger ertragen könne und, wenn er seine Gesichtszüge nicht augenblicklich ändere, ich den zwei Grazien da im Auto und unserem Vater mal sagen müsste, dass sie ohne Max gar nicht in diesem beschissenen, geliehenen Nissan durch die Gegend zu fahren bräuchten, weil unsere Mutte nämlich nach wie vor in ihrem Bett statt auf dem Meeresboden läge und alles in Ordnung wäre.

Wollen Sie jetzt noch wissen, wer so etwas schreibt, was das für ein Buch ist, welcher Verlag sich für soetwas hergibt?

Ariane Grundies: Am Ende ich
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Kein & Aber; Auflage: 1 (1. September 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3036951725
ISBN-13: 978-3036951720


Und wer sich erdreistet, eine Lesung dieser ach so kessen Autorin im Koeppen-Haus in Greifswald zu veranstalten?

Ach Harry Rowohlt, was hast du mit denen da gemein?
Und warum ist Moskau – Petuški bei solch einem Tabu-Aufreißer?

Wer schenkt was wem

Olga Martynova
Olga Martynova

ja, diese Frage beantwortet Olga Martynova in ihrem kleinen Bändchen, das beim Rimbaud-Verlag herausgekommen ist. Der Band versammelt Rezensionen aus den Jahren 1999 bis 2003.

Eigenartig, ein Urteil über ein Buch zu lesen, das man schon fast vergessen hat, und sich das Buch dadurch wieder zu vergegenwärtigen.

Also hole ich das besprochene Buch aus dem Regal und lese es wieder.


Eines dieser Bücher ist:

Andrej Dmitriev
Andrej Dmitriev

Andrej Dmitriew
Die Flussbiegung

eine Erzählung von Gegenwart und Vergangenheit, Verlust und Leben.

ich freue mich, daß ich es wiedergefunden habe.

Recycling. Und auch die Freude, das eigene Leseurteil bestätigt zu sehen.


Olga Martynova: Wer schenkt was wem: Besprechungen 1999-2003
Besprechnungen 1999 – 2003
(Rimbaud-Taschenbuch Nr. 20/21)
160 S., TB fadengeh., 2003
ISBN 3-89086-686-7 ISBN 3890866867


Andrej Dmitriew: Die Flussbiegung
Broschiert – 107 Seiten – Suhrkamp
Erscheinungsdatum: 2000
Auflage: 1
ISBN: 3518121782

Perikles Monioudis

Perikles Monioudis
Perikles Monioudis

ist mir bisher noch nicht „untergekommen“. Und nun bin ich sehr angetan von dem Buch „Eis“, das ich wie viele andere leider im Modernen Antiquariat, also im Ramsch gefunden habe.

Auf https://www.monioudis.de lese ich die Liste seiner Werke.
Viele Werke.
Und bisher kannte ich keines davon.

Nun aber Eis. Das Buch eines Schweizers ägyptischer Abstammung, der lange Zeit in Berlin gelebt hat (oder noch lebt).

Eine Sprache, die mich an Innerhofer erinnert.
Eine Sprache, die eine karge Bergwelt schildert, in der ungesprächige Menschen leben.
Eine Geschichte, die in ihrer Knappheit fesselt und das Eigenartige, Besondere, auch Verstörende, fast wortlos mitteilt.

Ein karger, alltäglicher Alltag. Und doch sind die Zeiten durcheinander, Erfindungen die es wohl schon gibt, werden gemacht. Die Physik wird auf den kalten Kopf gestellt, abenteuerlichste Theorien sind alltäglicher als kleine Gesten der Vertrautheit.

Ich fühle mich an die Zeit der „Alpen-Einsilbigkeit“ in der Literatur erinnert.

Es drängt sich mir neben dem Vergleich mit Innerhofer ein Vergleich mit Robert Walser auf, daber dazu fühle ich mich nicht berufen.

Perikles Monioudis: Eis
Gebundene Ausgabe: 154 Seiten
Verlag: Berlin Verlag (1997)
ISBN-10: 3827002524
ISBN-13: 978-3827002525

8 m neue Bücherregal-Stell-Fläche

insgesamt und plötzlich kann ich wieder in Büchern schwelgen…
Das Umräumen und Neu-Zusammenstellen produziert so manche eigenartigen Gedankengänge:

wenn links Akhmatova steht, dann kann direkt daneben nicht die Swetajewa hinkommen, die ist doch viel zu hysterisch, nein das verträgt sich nicht, lieber zwei Andere dazwischen noch, also Jessenin und Blok, den Dorfdichter und den Naiven (so hat ihn glaube ich mich zu erinneren A.A. betitelt), und Blok näher zur A. und Jessenin zur S.

es hat mich auch sehr angerührt, wie sich ein Dichter in mein Leben gedrängt hat: von Ufer der Verlorenen besitze ich doch tatsächlich drei Exemplare, und Nativity Poems zwei mal…

ich wusste doch, dass es nicht gut ist, Bücher in zwei Reihen ins Regal zu stellen, da verschwinden manche einfach…

Aber jetzt ist die Zeit für Brodsky… und er hat einen Ehrenplatz, nahe Akhmatova und auch nahe Felix Philipp Ingold

In Venedig unterwegs mit einem ganz besonderen Cicerone

20060121-brodskyich hatte das Glück, 4 Tage in Venedig sein zu können. Bei strahlendem Wetter, blauem Himmel, geneigter Stimmung.

Wir waren beeinflußt von Josef Brodsky, der neben St. Petersburg in Venedig seine Seelenheimat gefunden hat. Und leider auch seinen letzten Ruheplatz.

In Ufer der Verlorenen stellt er uns die Stadt, wie er sie wahrnimmt, vor.

Und wir Leser vernehmen Verstärkung, Bestätigung oder Erstaunen.
Auf zweiterblick.de habe ich erste Impressionen mit seinen Texten verknüpft.

Brodsky, Ufer der Verlorenen
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe – 136 Seiten – Carl Hanser
Erscheinungsdatum: Januar 2001