Ausgelesen oder Aussortiert?

nun habe ich 4 Bücher über Amazon MarketPlace (deutsches Wort gibts wohl nicht, man sollte das Resteverhökern nennen) bestellt und stellte zu meiner Bestürzung fest, daß 2 davon aussortierte Bände aus öffentlichen Büchereien waren:

1x „Venus im Pudel“ (siehe mein Beitrag [link2post id=“203″]Wer ist Paul Wühr[/link2post]) , ein Buch aus dem Jahr 2000!

und 1x „Nach der Stimme“ von Felix Philipp Ingold, 1998 erschienen.

Wie kommen die Büchereien dazu, solche Bücher auszusortieren?
Was sind die Kriterien? Die Ausleih-Quote? Je seltener ausgeliehen, desto eher weg damit?

Ist das der Bildungsauftrag?

Zwischenlektüren

Ich wollte mal die Zwischenlektüren notieren, die sonst untergehen..

Karl Kraus
Karl Kraus

Karl Kraus, Aphorismen: Sprüche und Widersprüche. Pro domo et mundo. Nachts: ABT I / BD 8
Taschenbuch: 532 Seiten
Verlag: Suhrkamp; Auflage: Neuauflage. (28. Dezember 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 351837818X
ISBN-13: 978-3518378182

Michail Ryklin
Michail Ryklin

Michail Ryklin: Räume des Jubels: Totalitarismus und Differenz
Taschenbuch: 235 Seiten
Verlag: Suhrkamp; Auflage: 1 (20. August 2003)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518123165
ISBN-13: 978-3518123164

Wiederlesen tut gut

Herr Korovjew
Herr Korovjew

ich habe mir nun zum zweiten Male Bulgakovs „Der Meister und Margarita“ vorgenommen.

Warum?

Es ist ein wichtiges Buch. Ich erinnere mich an das erste Lesen, an Ereignisse, Figuren, ich treffe in Moskau auf Spuren dieses Buches und seines Autors, ich erfahre wie wichtig dieses Buch in Rußland ist und dann stelle ich fest, daß ich mich zuwenig an die Lektüre erinnere.

Ich habe die DVD-Ausgabe der russischen Verfilmung / Fernsehserie aus dem Jahr 2006 geschenkt bekommen. War ein großer Erfolg in Rußland.

Und wie schon bei „Hundeherz“ stelle ich fest, daß „mein Russisch“ nicht gut genug ist, unvorbereitet diese Serie anzusehen.

Also lese ich das Buch zum zweiten Mal.

Mit Genuß.

Vielleicht bekomme ich jetzt auch endlich heraus, welche Rolle Korovjew spielt, das ist der Mann mit dem karierten Jacket, der hier neben dem Mordskater sitzt.

Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita: Roman
Taschenbuch: 512 Seiten
Verlag: Sammlung Luchterhand (18. April 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3630620930
ISBN-13: 978-3630620930
Originaltitel: Master i Margarita

Kindheitsmuster

Ich hatte ja vor ein paar Einträgen das Buch „Begrabt mich hinter der Fußleiste“ (nein, nicht „an der Biegung des Flußes“ vorgestellt und kritisiert. Ich fand die Tiraden der Großmutter einfach nur langweilig.

Pawel Sanajew
Pawel Sanajew

Nun finde ich in der TAZ von heute eine Mehrfachrezension von Kindheitsbüchern, „Kindheitsmuster“, in denen dieses Buch auch rezensiert wird.
Liisa hat es in ihrem Litblog auch gerne gelesen.

Und wie es aussieht, bin ich die einzige, die sich immer und immer wieder gelangweilt hat bei den ewigen Tiraden der Oma, den ewigen Leiden des Jungen, dem ewigen Flüchten des Opas.

Weshalb nur ich? Habe ich zuviele Bücher gelesen? Wahrscheinlich bin ich wohl 20 Jahre älter als die meisten Rezensenten, da kommen schon einige Bücher zusammen..

oder habe ich mich zusehr mit dem Pikaresken Element in Jugend- und Kindheitsschilderungen beschäftigt? Ich muß doch meine Examensarbeit mal wieder rausholen („Politisierung des Ästhetischen oder Ästhetisierung des Politischen„, Die Kindheit in der Nazizeit – gespiegelt in der zeitgenössischen Literatur)

ich finde den Aspekt, auf den die TAZ abhebt, daß nämlich alle 3 dort in dem Artikel geschilderten Kindheiten in Zeiten der Repression stattfinden, interessant.
Hat mit meinem alten Thema zu tun.
Und bestätigt eigentlich meinen damaligen Schluß: nur wenige Autoren vermögen das Ästhetische zu politisieren, (nach Benjamin), die anderen gleiten in Befindlichkeiten ab…

Viele Adjektive – Schlechter Stil

gerade hörte ich im Radio die Autorenlesung von Silke Scheuermann, die ihren Roman „Die Stunde zwischen Hund und Wolf“ vorstellte

und da fiel mir wieder auf, was heute bei den „jungen Dichtern“ so üblich zu sein scheint und früher als schlechter Stil galt:

ja nichts der Phantasie des Lesers überlassen, lieber ihn mit Dutzenden von Adjektiven überkübeln…

das gabs früher nur in der Groschenliteratur… jetzt zählte ich rund 15 Farbnennungen in 5 Minuten ;=)

setzen, schlechter Stil!

Karl Kraus zum zweiten

bin ich doch ins Besinnen gekommen, was mir Karl Kraus sagt, wann ich ihn gelesen habe, ob ich ihn gelesen habe…

ich erinnere mich an die Zeit des Cafés Morgenröte in Wiesbaden. Das war für 4 Jahre mein Unternehmen und meine Arbeitsstelle und mein Bankrott nach der Lehrer-Ausbildung. Ich wünschte mir immer einen Literaten in meinem Café und dann kam mein Literat. Er wurde Stammgast. Er kam jeden Tag, verbrachte Stunden mit Lektüre, schrieb und schrieb. Lange Texte. Und immer hatte er die Fackel dabei und zitierte ab und an auch daraus.
Mir war mein Studium noch zu nahe, mit viel Nestroy, Doderer, Musil und anderen literarischen Österreichern, und so bemerkte ich zwar die geschliffene und treffende Ironie bei Kraus, hatte aber nicht die Muße, Zeit und Lust, dieses Werk anzulesen. (Hat es schon mal jemand aus-gelesen?

Dann schloß ich das Café, da bankrott, und suchte eine neue Existenz.
Verließ Wiesbaden.
Später erfuhr ich dann, daß mein Literat nicht mehr lebte. Er war freiwillig aus dem Leben geschieden.

Wenn ich jetzt Die Fackel lesen werde, wird Frank immer am anderen Tisch sitzen und einen Tee trinken.

mal kurz gefackelt

alle Welt tönt ob der Online-Premiere der „Fackel“ von Karl Kraus, nachdem das Copyright auf dieses Jahrhundertwerk des 20. Jahrhunderts erloschen ist. Also schau ich mir die Webseite auch an. Und gerate in ein richtiges Schlamassel.

1. hat die Webseite eine nicht zu merkende URL: https://corpus1.aac.ac.at/fackel/
2. nennt sich die Online-Ausgabe Fackelgate, das gibt zu denken
3. Ab der notwendigen Registratur ist alles in englischer Sprache, man erhält ein kryptisches Passwort zugesandt, die betreffende Mail natürlich auch wieder in englischer Sprache, dieses Passwort kann man nicht mehr ändern
4. ja, und wenn man dann auf die Seite darf, auch wieder alles in englischer Sprache und wohl nur InternetExplorer-getestet, mit OPERA geht schon rein gar nichts, mit Firefox etwas mehr, und alles wackelt und zappelt auf dem Schirm
5. Die Metapher der 922 Ausgaben-Heftchen war wohl die Vorlage für diese Seite…
6. nun gut, es gibt eine Suchfunktion, das ist schon ein Vorteil

aber ich hatte so die Nase voll, dass ich erstmal zu ZVAB bin und mir eine Komplett-Ausgabe der Fackel bestellt habe.

Warum zum Teufel muss eine österreichische Universität den ganzen Kram in englischer Sprache von sich geben?
Was hat das mit Karl Kraus zu tun?
Wer zahlt die Universität, wem dient die Wissenschaft? Und dann in einer Fremdsprache? Noch ist Englisch eine Fremdsprache für Österreich!

Wieder diese affige Anbiederei, aber an was? An die Gehirnwäsche, die sich in die Köpfe schleicht, die aus unerfindlichem Grunde alles meint in englisch von sich geben zu müssen? Deutsch war mal eine Weltsprache! Jetzt sind nur noch Kleingeister zu gange mit krankem Hirn und Selbstverständnis.

Und das alles mit Karl Kraus, dem Feind der Sprachverluderung.

PS: natürlich gibt es schon einige Werke online ohne Registratur etc.