Jonathan Safran Foer – Alles ist erleuchtet

Jonathan Safran Foer
Jonathan Safran Foer

ein unglaubliches Buch, das allerdings den Lesebeginn sehr erschwert.

Der schnoddrige Ton des jungen Protagonisten schreckt doch sehr ab.

wer durchhält, wird belohnt. Eine ungeheuer dichtgewebte Erzählung, durchwoben von verschiedenensten Geschichten aus unterschiedlichen schweren Zeiten, fasziniert. Auch wenn das Zuordnen der Ebenen oft schwerfällt; aber sich auf das Buch einlassen und lesen, einfach lesen…

wirklich ein erstaunlicher junger Mann, dieser J.S.F.

Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet
Broschiert: 384 Seiten
Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 8 (18. Januar 2005)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596156289
ISBN-13: 978-3596156283
Originaltitel: Everything is Illuminated

Weißrussisch oder Weißruthenisch?

Mein Beitrag zu Vasil Bykau’s Tod hat mir einen interessanten Brief eingebracht:

Rydel aus Minsk schickte mir einen Hinweis auf den falschen Sprachgebrauch, es gäbe kein Weißrußland.
Und es ist wirklich so, das Land heißt Belarus, aber das Adjektiv belarussisch klingt ungewohnt und weißruthenisch ist auch sehr fremd.

Was tun? Linguistisch-historische Genauigkeit oder Sprachgewohnheit? Ich bin sehr unsicher darüber.

Vasil Bykau †


Vasil Bykau
Vasil Bykau

Der große weißruthenische Schriftsteller Vasil Bikau starb kurz nach seinem 79. Geburtstag in Minsk.

Die Bevölkerung bereitete ihm ein Staatsbegräbnis, die Offiziellen mieden ihn.

Mit ihm verstummte eine Stimme für die Freiheit und die Individualität des Menschen.

ich bin froh, daß ich ihn kennenlernte konnte.

Informationen über Vasil Bikau habe ich hier [link2post id=“956″]auf einer Sonderseite[/link2post] zusammengetragen.


Osteuropa

Nun war ich ja sehr oft in Russland und auch wenn dieses riesige Land sich bis in den Fernen Osten erstreckt, besitzt es doch einen sogenannten europäischen Teil. Die Grenze zwischen Europa und Asien verläuft entlang des Ural. Dies ist eine willkürliche Grenzziehung, entstanden aus historischen Gegebenheiten, und doch macht sie uns augenfällig, daß dort Osteuropa zu Ende geht.

Während meiner Reise in die Ukraine im vergangenen Winter erlebte ich in Lviv / Lemberg den Kontrast zwischen der zentraleuropäischen Vergangenheit, geprägt durch die österreichisch-ungarische Herrschaft, und der Gegenwart, die immer noch durch die Katastrophen des 2. Weltkrieges mit allen Folgen des Holocaust, der Bevölkerungsverschiebungen und Vertreibungen und die Katastrophe der Sowjet-Zeit geprägt ist.

Immer wieder jedoch scheint heute die Idee Zentraleuropas durch, der Dialog mit Polen, die Annäherung und die Furcht vor der Ausgrenzung aus Europa durch die Europäische Union. In Lviv erscheint eine hochinteressante Zeitschrift, Ï, die in ukrainischer, deutscher und deutscher Sprache herausgegeben wird. Die interessanten Themen dort machten wir deutlich, daß sich Europa in der Zeit seit 1989 grundlegender gewandelt hat, als wir es wahrnehmen (wollen).

Czarne Verlag
Czarne Verlag
Im zweiseitigen Denken der letzten 50 Jahre (hier Westeuropa und die Freiheit – dort Osteuropa und die Unfreiheit) wurde Zentraleuropa nicht wahrgenommen. Und meine geschichtliche und politische Sozialisation hat mein Weltbild und meine Vorstellungen geprägt, die nun langsam ins Wanken geraten, je mehr Zental- oder Mitteleuropa „zur Sprache kommt“. Ich bin fasziniert und neugierig, freue mich über die Diskurse in der deutsch-polnischen Zeitschrift TransOdra geführt werden und empfinde fast schmerzhaft daß hier die Themen sind, die unsere Gegenwart bestimmen.

Czarne Verlag
Czarne Verlag
Schmerzhaft empfinde ich, daß ich viele der Beiträge nicht verstehen kann, da ich kein Polnisch und Ukrainisch oder zu wenig Russisch verstehe, und deshalb beispielsweise die interessanten Veröffentlichungen aus dem Czarne Verlag von Andrej Stasiuk, der nicht nur ein wunderbarer Erzähler, sondern auch ein ambitionierter Verleger ist, nicht lesen kann.


Ich sehe einen Prozess der Integration in einer dis-integrierten Zeit und das beschäftigt mich. Dieses Thema wird mich nicht loslassen, es drängt sich mir auf und läßt sich nicht beiseite drängen. Ich hoffe, ich finde die Zeit, mich ihm intensiver zu widmen.

Ein Beispiel für meine persönliche Herangehensweise:


[link2post id=“898″]Moskau – Lemberg: eine poetische Topographie[/link2post]

Es reizte mich, Zitate aus zwei Gedichten von Dmitri Prigow und Adam Zagajewski einander gegenüberzustellen:

Bruno Schulz, der galizische Kafka

Bruno Schulz
Bruno Schulz
Bruno Schulz (1892-1942), ein Zeichenlehrer aus der kleinen, damals polnischen Stadt Drohobych, wurde bei uns im Westen bekannt durch seine Erzählungen Die Zimtläden, die ihn in eine Reihe neben Franz Kafka stellten. Schulz, der auch Kafka ins Polnische übersetzte, schrieb eine Prosa, deren surrealistische Inhalte sich ins Gedächtnis brennen.

Ich las diese Erzählungen vor fast 30 Jahren, wahrscheinlich noch während meiner Schulzeit.

Die Erinnerung an diese Traumbilder, vermischt mit den Romanen und Erzählungen anderer galizischer Schriftsteller wie Joseph Roth
oder Scholem Aleichem, zusammen mit den Fotoreportagen Roman Vishniacs aus den vom Holocaust bedrohten jüdischen Stedtl, formte in mir ein Bild einer untergegangenen Welt: Galizien.

Und nun war ich in Galizien, einer Region, die es nicht mehr gibt, politisch aufgeteilt zwischen Polen und der Ukraine.

Es gibt keine galizische Bevölkerung mehr, die Mitglieder der Bourgeoisie enteignet oder emigriert, die Juden wurden umgebracht, die Polen deportiert nach Polen, in ehemaligen Galizien leben nunmehr fast nur noch Ukrainer, eine christliche agrarisch geprägte Bevölkerung. Sie leben in den großen Häusern der Städte Lviv oder Brody, die Synagogen in Drogobych werden als Wohngebäude genutzt oder stehen leer, verfallen und werden von der Bevölkerung als Toiletten benutzt, die Menschen wissen wenig oder nichts von der vergangenen Kultur und doch weht ab und an die Erinnerung durch.

Ich war also in Galizien. Fühlte mich wie in einem großen Szenario des Déja vu. Literatur kann Heimat geben oder einen festen Boden, vieles sprach zu mir und die absurden Situationen im Drogobycher Hotel überraschten mich nicht. Das mußte so sein.

Mark Taplin: Open Lands

Open Lands
Open Lands

Dieser Reisebericht eines amerikanischen Diplomaten ist deshalb interessant, weil Taplin 1992, nach der Öffnung vieler ehemals verbotener, geschlossener Städte und Regionen, eine Reise in diese abgeschirmten Gebiete unternahm, die viele Jahre von der Welt abgeschieden waren.

Er bereist die gesamte ehemalige Soviet-Union und beschreibt das Land und die Menschen, die er trifft. Dabei kommt er auch zum Jazzfest nach Arkhangelsk und reist mit den Musikern und Veranstaltern auf die Solovki-Inseln, eine Gegend, die ich ja inzwischen nach vielen Reisen dorthin sehr gut kenne, und mit der ich mich sehr verbunden fühle.
Amazon.com:

Er bereist Tuva und trifft dort auch auf
Mongush Kenin-Lopsang, den verdienten Ethnologen und Schamanenforscher. Dieser Abschnitt ist nicht gerade der gelungenste Bericht seiner Reise, denn dieses Land Tuva ist Tatlin sehr fremd geblieben. Er irrt auch, wenn er Mongush Kenin-Lopsang als eigentümlichen Magier vorstellt….
Ich bin glücklich, daß ich Professor Kenin-Lopsang selbst 1993 kennenlernen durfte.
Im Oktober 2000 hielt der Professor einen Vortrag im Hamburger Museum für Völkerkunde. Darüber habe ich einen Bericht geschrieben.

Mark Taplin:Open Lands: Travels Through Russia’s Once Forbidden Places
Taschenbuch: 376 Seiten
Verlag: Steerforth; Auflage: 1st Pbk. Ed (1. September 1998)
Sprache: Englisch
ISBN-10: 1883642876
ISBN-13: 978-1883642877

Andrej Kurkow : Petrowitsch

Kurkow
Kurkow

Auf der Suche nach verschollenen Manuskripten des ukrainischen Nationaldichters gerät der Held der Geschichte auf eine Heringsdosenfabrik, nach Kasachstan, in Verfolgungsjachten, er findet eine Frau und trifft ein Chamäleon, eben Petrowitsch.

ein Lesevergnügen, so abseitig und doch realistisch wie schon sein Buch [link2post id=“14″]Picknick auf dem Eis[/link2post]…

auch wenn die Geschichte zum Schluß etwas an Spannung verliert, etwas ausfranst, das Buch bereitet wunderbares Lesevergnügen!

Andrej Kurkow : Petrowitsch
Taschenbuch: 443 Seiten
Verlag: Diogenes Verlag; Auflage: 2., Aufl. (September 2002)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3257233221
ISBN-13: 978-3257233223
Originaltitel: Dobryj angel smerti