"Zu diesem Allen kommt, daß zu Papier gebrachte Gedanken überhaupt nichts weiter sind, als die Spur eines Fußgängers im Sande: man sieht wohl den Weg, welchen er genommen hat; aber um zu wissen, was er auf dem Wege gesehn, muß man seine eigenen Augen gebrauchen." – Arthur Schopenhauer
Ich habe wieder einen Freund verloren.
Ich kannte ihn aus Erzählungen. Ich hatte seine Bücher gelesen.
Aber persönlich trat er in mein Leben im Frühjahr 1992.
Bei einem FreeJazz-Konzert im „Bunker“ in Moskau trat ein Mann in deutscher Bundeswehrjacke vor die Musiker und begann zu rezitieren.
Ich war fasziniert. Ich erfuhr seinen Namen: Dmitri Alexandrowitsch Prigov.
Viele Male haben wir uns seitdem getroffen, in Deutschland, Frankreich, Rußland.
Zuletzt auf der 2. Moskauer Biennale für Zeitgenössische Kunst.
Er war immer da.
Jetzt fehlt er uns.
Fragte ich mich, als ich erfuhr, daß Paul Wühr den Ernst-Jandl-Preis für Lyrik 2007 erhält.
Welch eine Schande für mich. Seit den 70er Jahren schreibt er und schreibt er.
Ein Mann, der ein exakt 699 Seiten kräftiges Gedichtwerk veröffentlicht:
Venus im Pudel.
„Venus im Pudel“ sei „ein Standardwerk der Liebe“ im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Von der Jungfern- bis zur Leihmutterschaft, von der Bibel bis zur Pornoindustrie durchforste und durchstöbere Wühr alle Ebenen der Lust, der Sexualität, der Reproduktion, des Platonismus, nichts sei ihm heilig – bis auf das Gedicht, das er aus „schier nichts zum Klingen bringt“.
schrieb Samuel Moser 2000 beim Erscheinen diese Buches
Allein die Titelliste zu lesen ist ein Geschenk:
Grüß Gott. Rede
Luftstreiche. Ein Buch der Fragen.
Was ich noch vergessen habe. Ein Selbstgespräch, aufgenommen von Lucas Cejpek
Wenn man mich so reden hört. Ein Selbstgespräch
Rede. Ein Gedicht von Paul Wühr (Broschiert – Februar 1981)
Das falsche Buch.
Gegenmünchen
Preislied. Hörspiel aus gesammelten Stimmen.
Salve. Res Publica Poetica
An und Für. Gedichte
Leibhaftig
Ob. Gedichte
Ob der Magus in Norden
Dame Gott
Ich Unterstehe Mich
Es war nicht so
So spricht unsereiner. Ein Originaltext-Buch
Das Lachen eines Falschen
Sage. Gedicht
Grüß Gott ihr Mütter, ihr Väter, ihr Töchter, ihr Söhne
In der Jury saß Felix Philipp Ingold, Jandl – Preisträger 2003!
Ende April las Felix Philipp Ingold in Stuttgart in der Reihe Sprachkunst
Als Zitat steht unter dem einführenden Satz:
„Sprache wird in Ingolds Gedichten zu einem neuen, fremden Kontinent, zur Fremd-Sprache, die der Auseinandersetzung mit der eigenen eine ganz andere Qualität der Reflexion und Einfühlsamkeit ermöglicht“ (Heinz F. Schafroth).
Ein 19minütiger Mitschnitt dieser Lesung ist online zu hören, man kann sie auch als MP3-Datei herunterladen.
Bei Radio LoRa 97,5 ging am 1. Juni eine einstündige Sendung mit Felix Philipp Ingold in den Äther: Subversion übersetzen
Thema der Sendung war der französische Dichter und Philosophen Edmond Jabès, ein Dichter, den Felix Philipp Ingold kongenial ins Deutsche übersetzt hat. Gesprochen wurde über die Begriffe Suversion und Authorschaft, vorgestellt wurde der Dichter Anatolij Shtejger, dessen Gesamtwerk von FPI übersetzt wurde und das nächstes Jahr erscheinen wird.
Die Sendung ist war online zu hören auf Radio LoRa
Hören Sie!
Die Ankündigung auf der Sender-Seite:
Der Schweizer Autor und Übersetzer Felix Philipp Ingold hat die Rezeption des dichtenden Philosophen Edmond Jabès im deutschen Sprachraum wesentlich ermöglicht. Er übersetzte sein mittlerweile vergriffenes Buch „Das kleine unverdächtige Buch der Subversion“. Das Buch erscheint auf den ersten Blick harmlos, da es nicht politische Analysen und Strategien artikuliert, sondern ästhetische Fragen. Trügt dieser Schein?
Im ersten Teil des Gesprächs geht es um Jabès’ Verständnis von Subversion. Daran schliessen Fragen zur Autorschaft im Fall des Russisch-Schweizer Schriftstellers Anatol Steiger an, der erst jetzt für die Literaturgeschichte entdeckt wird. Und schliesslich wird Ingold einen Ausblick auf seine aktuellen Studien zu russischen Phänomenen geben. Dieser Tage erscheint bei NZZ Libro von Felix Philipp Ingold der umfangreiche Band: Russische Wege: Geschichte – Kultur – Weltbild.
Mit Felix Philipp Ingold diskutiert Nils Röller.
Ein Großer ist gegangen. Im 78. Jahr.
Er entdeckte die Sprache im wahrsten Sinne des Wortes. Für uns. Für die die hören und lesen können und wollen.
Er war liebenswert, ein wunderbarer Partner für die Musiker, die ihn begleiteten, Sprache war Musik für ihn.
„er war mit Sicherheit der liebenswerteste Autor, der sich denken lässt.“ sagt sein Verleger Michael Krüger. Er hat recht.
Ich bin dankbar, daß ich Oskar Pastior kennenlernen konnte und daß ich seine Bücher und Lesungen habe… die sind nicht mit ihm gestorben.
ein Feature über Gherasim Luca, endlich!
18.05.2006 / 23:05 WDR 3 open: WortLaut
Ich habe ihn hier schon kurz vorgestellt und auf zweiterblick.de eine Photoarbeit veröffentlicht, nun wird sein Werk wohl endlich gewürdigt.
Und wenn Sie Phonostar haben oder ein ähnliches Programm, können Sie die Sendung auch online hören oder aufnehmen!
Die Programm-Ankündigung des WDR:
Je m’oralise
Der Dichter Gherasim LucaVon Guido Graf
Ein Fremder in einer fremden Sprache: Gherasim Luca, Surrealist aus Rumänien, nach dem Krieg ging er nach Paris und wurde er einer der wichtigsten französischen Dichter der Gegenwart: einflussreich, doch nie berühmt, oft als virtuoser Rezitator seiner Werke zu hören, doch nur wenig gelesen, hoch geachtet von Zeitgenossen und Kollegen – und immer einsam. 1994 nahm er sich mit einem Sprung in die Seine das Leben. Klassiker wurde er erst nach seinem Tod. Seit kurzem erst gibt es eine Auswahl von Lucas Werk auch in deutscher Übersetzung. Neben der Stimme von Gherasim Luca sind seine deutschen Übersetzer Theresia Prammer, Mirko Bonné und Ernest Wichner zu hören, die zusammen mit dem Schriftsteller Felix Philipp Ingold, der Luca zuerst für den deutschen Sprachraum entdeckt hat, von Gherasim Luca und seinem widerborstigen Prinzip Ungewissheit erzählen und vor allem einem aufregenden dichterischen Werk ihre Stimme leihen.