Andrej Makine: Das Verbrechen der Olga Arbelina

Andrej Makine hat einen neuen Roman in Deutschland veröffentlicht:Das Verbrechen der Olga Arbelina.

Das Verbrechen
Das Verbrechen

Wieder gelingt es dem Autor, jeden der geschilderten Menschen sein eigenes Rätsel leben zu lassen und uns in den Bann zu ziehen. Ich habe das Buch noch nicht ausgelesen, aber ich hoffte, es würde nicht enden…

Wieder ein eindrucksvolles Portrait einer russischen Frau, nachdem ich doch gerade Tolstois Anna Karenina erneut gelesen habe und feststellen mußte, wie sich mein Bild dieser Frau doch sehr gewandelt hat. In meiner Jugend, mit 21, hielt ich sie für eine romantische Heldin, die alles der Liebe opfert und vom Leben betrogen wird, heute, doch etwas älter, erscheint sie mir als desorientierte Person, die nicht auf eigenen Füßen stehen kann und von ihrer Umwelt eine bedingungslose Alimentation, Fürsorge und endlose Liebe erwartet, ohne selbst etwas geben zu können oder zu wollen.

Andrej Makine: Das Verbrechen der Olga Arbelina
Gebundene Ausgabe – 315 Seiten – Hoffmann & Campe
Erscheinungsdatum: Februar 2000
ISBN: 3455051340


Nachtrag 2003: je mehr ich über dieses Buch nachdenke, desto mehr verliert es an Qualität für mich. Auf den ersten (Lese-)Blick war es eine reizvolle Lektüre, nach und nach erinnere ich mich an den Ärger, den ich beim Fertiglesen empfand: der Autor macht es sich zu leicht, der Leser weiß sofort um die Geschichte und der Autor behandelt den Leser immer noch wie ein unwissendes Kind.

Ein Geheimnis machen um etwas Offenkundiges, dieses An-der-Nase-Herumführen mag ich nicht.

Pjotr Aleschkowski: Der Iltis

Der Iltis
Der Iltis

Die Geschichte einer Kindheit: ein Junge, der auf sich allein gestellt, sich behaupten muß. Und wieder ein Szenario, das so gern als russisches Element bezeichnet wird: die Mutter säuft, Vater unbekannt, Großmutter hilflos.

Aber darum geht es nicht. Es geht darum, wie Daniil immer wieder die Menschen flieht und sich ihnen annähert, im Wald lebt, in der Stadt, bei einem Eremiten, im Kloster.

Aleschkowski zeigt auch in dieser Geschichte wieder den Kontrast zwischen dem harten, grauen Alltag und der Stärke Einzelner…

Pjotr Aleschkowski: Der Iltis
Gebundene Ausgabe: 227 Seiten
Verlag: Suhrkamp (1997)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518409174
ISBN-13: 978-3518409176

Politik und Kultur in der russischen Provinz.

Politik und Kultur
Politik und Kultur

Galina Luchterhandt, Sergej Ryshenkow, Alexej Kusmin:
Politik und Kultur in der russischen Provinz. Nowgorod – Woronesh – Saratow – Jekaterinenburg

Dieses Buch ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, das den Charakter der Transformationsprozesse in Politik und Kultur Rußlands und deren regionale Aspekte zum Thema hat.

4 Regionen werden vorgestellt und jede hat ihr eigenes Entwicklungspattern.

Mich reizte an diesem Buch natürlich die Region Ekaterinburg, denn seit 1992 war ich mehrere Male dort und konnte so das dortige kulturelle Leben selbst erfahren.
Vieles, was ich dort erleben konnte (z.B. die eigenartige Installation im Konsomolzen-Museum) findet nun seinen Platz im großen Zusammenhang und viele Bekannte, mit denen wir zusammenarbeiteten, werden hier vorgestellt, sei es Lev Shulman mit seinem Centre of Contemporary Art oder der Leiter der Philharmonie, Alexander Koloturskij, an dessen Terterian-Festival ich im Februar 1999 teilnehmen konnte.

Grigorij Koslow, Kunsthistoriker und Journalist, hat an diesem Projekt mitgearbeitet. Ihn lernte ich in Caskoe Celo bei einem Festival der Theaterakademie Interstudio kennen. Grischa hat sich einen Namen gemacht durch das Aufstöbern der Beutekunst in den Arsenalen des Puschkin-Museums in Moskau und durch seine Forschungen auf diesem Sektor. Er lebt und arbeitet heute in Köln.

Politik und Kultur in der russischen Provinz
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Edition Temmen; Auflage: 1 (1999)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3861083272
ISBN-13: 978-3861083276

Vladimir Nabokov: Erinnerung sprich

Erinnerung, sprich
Erinnerung, sprich


Roshdestveno
Roshdestveno

Diese Autobiographie bringt uns mit ihren stärksten Kapiteln in die Kindheit Nabokovs in St. Petersburg und reicht uns einen Hauch Nostalgie, begleitet von Einblicken in Kultur- und Zeitgeschichte.

Im Sommer 2000 besuchte ich den Ort Roshdestveno in der Nähe St. Petersburg, in dem Nabokov auf dem Gut Wyra seine Kindheit verbracht hatte. Dort steht auch das große Anwesen, das er von seinem Onkel geerbt hatte. Über diesen Besuch gibt es einen Fotobericht hier auf Avantart.

Vladimir Nabokov: Erinnerung, sprich: Wiedersehen mit einer Autobiographie
Wiedersehen mit einer Autobiographie.
Taschenbuch – 563 Seiten (1999)
Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbek
ISBN: 3499225476

Leonid Dobycin: Im Gouvernement S. / Surkas Verwandtschaft

Im Gouvernement S.
Im Gouvernement S.

Klar, mit wenigen Worten, ohne Phrasen, ein Roman in Skizzenbildern. In der Tradition Leskows wird erzählt, wie ein Junge aufwächst, wie die Nachrichten vom Krieg in das Dorf dringen, wie der Junge ein Räuber werden will.

Unspektakulär umspannt dieser Roman den Zeitraum vom Beginn des 1. Weltkrieges bis zur russischen Revolution, aus der Sicht der Menschen im Dorf geschildert.

Ein Erzählstil, der nur nennt, nichts erklärt und doch Bilder schaftt…

Leonid Dobycin: Im Gouvernement S. / Surkas Verwandtschaft online bestellen
Gebundene Ausgabe – 151 Seiten (1996)
Friedenauer Presse, Berlin
ISBN: 3921592968
Übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Peter Urban

Pjotr Aleschkowski: Der Erbe

Der Erbe
Der Erbe

Die Geschichte eines Schatzes, der über Generationen hinweg versteckt war und nun gefunden werden soll, der Weg zu dem Versteck eine Fahrt durch die russische Gegenwart: schlechte Straßen, absurde Hotels, vereinsamende Dörfer, nasse Herbstwälder und jeder Mensch hat seinen eigenen Kosmos: darum geht es in dem Buch Der Erbe

In einer Rezension des Buches hieß es:


Was Pjotr Aleschowski hier ohne anklagend zu werden in einen Roman verpackt hat, enspricht den authentischen Berichten verschiedener Hilfsorganisationen. So wird der Roman zu einer Dokumentation über die Not in Rußland.

Ich sehe das anders.
Diese Not ist nur in unseren westlichen Augen eine Not, es ist russische Realität, denn nicht umsonst sind die Russen angetreten, Kafka zu realisieren….

Pjotr Aleschkowski: Der Erbe
Gebundene Ausgabe: 299 Seiten
Verlag: Suhrkamp (1998)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518409999
ISBN-13: 978-3518409992

Herbstgedichte von Sergej Jessenin

Herbst
Herbst
Der Herbst schaut grübelnd in des Abends Helle,
Die Gräser deckt ein leichter Nebel zu,
Die Hütte kaut mit greisem Mund – der Schwelle –
Das duftige Brot der abendlichen Ruh.

Herbstliche Kühle, weich mit Dunst verschlungen,
Stiehlt sich zur Scheune über Feld und Au;
Versunken schaun zwei flachshaarige Jungen
Aufs Spiel der Dohlen durch der Scheiben Blau.

Die grüne Asche auf dem rosigen Herde
Glimmt fahl am Rauchfang, wo noch Kohlen sind.
Und jemand fehlt, verschluckt von Nacht und Erde,
Von jemand flüstert schmallippig der Wind.

Zwei Färsen stören nicht mehr auf die Ruhe
Von Gras und Laub, die goldner Rost betaut.
Den Schnabel eines aufgeblähten Uhus
Küßt ein gezogener, dünner Klagelaut.

Im Stall herrscht Stille und ein Schlummerweben;
Der weiße Weg hüpft um den Graben nackt …
Das Gerstenstroh seufzt zärtlich und ergeben
Am Maul der Kühe, nickend mit dem Takt.

Die goldnen Schatten auf dem Herbstwald liegen,
Er sprach in seiner Birkensprache gern;
Die Kraniche, die traurig weiterfliegen,
Bedauern nichts und sind dem Schicksal fern.

Bedauern – wen? Wir alle wandern, schweifen –
Du kommst und gehst und läßt das leere Haus –
Es träumt von denen, die die Welt durchstreifen,
Und tief im Teiche lischt das Mondlicht aus.

Ich bin allein. Ringsum der Ebene Stille,
Die Kraniche hat längst der Wind verweht,
Ich sehne mich nach meiner Jugend Fülle,
Und doch ist nichts, das mir zu Herzen geht.

Ich klage nicht um Jahre, die entlaufen,
Um Seelenblüten, duftig und verschwärmt,
Im Garten brennt ein großer Scheiterhaufen.
An dem sich aber keines wirklich wärmt.
Wie auch die Flammen sich zusammenballen,
Das gelbe Ebereschenlaub bleibt fest.
Ich lasse meine Worte traurig fallen,
So wie der Baum die Blätter fallen läßt.
Und wenn die Zeit, im Zeichen neuer Sterne,
Sie einmal wegfegt, anderm Unrat nach,
So sollt ihr sagen, daß der Herbstwald gerne
In seiner Birkensprache zu ihm sprach.