Bruno Schulz, der galizische Kafka

Bruno Schulz
Bruno Schulz
Bruno Schulz (1892-1942), ein Zeichenlehrer aus der kleinen, damals polnischen Stadt Drohobych, wurde bei uns im Westen bekannt durch seine Erzählungen Die Zimtläden, die ihn in eine Reihe neben Franz Kafka stellten. Schulz, der auch Kafka ins Polnische übersetzte, schrieb eine Prosa, deren surrealistische Inhalte sich ins Gedächtnis brennen.

Ich las diese Erzählungen vor fast 30 Jahren, wahrscheinlich noch während meiner Schulzeit.

Die Erinnerung an diese Traumbilder, vermischt mit den Romanen und Erzählungen anderer galizischer Schriftsteller wie Joseph Roth
oder Scholem Aleichem, zusammen mit den Fotoreportagen Roman Vishniacs aus den vom Holocaust bedrohten jüdischen Stedtl, formte in mir ein Bild einer untergegangenen Welt: Galizien.

Und nun war ich in Galizien, einer Region, die es nicht mehr gibt, politisch aufgeteilt zwischen Polen und der Ukraine.

Es gibt keine galizische Bevölkerung mehr, die Mitglieder der Bourgeoisie enteignet oder emigriert, die Juden wurden umgebracht, die Polen deportiert nach Polen, in ehemaligen Galizien leben nunmehr fast nur noch Ukrainer, eine christliche agrarisch geprägte Bevölkerung. Sie leben in den großen Häusern der Städte Lviv oder Brody, die Synagogen in Drogobych werden als Wohngebäude genutzt oder stehen leer, verfallen und werden von der Bevölkerung als Toiletten benutzt, die Menschen wissen wenig oder nichts von der vergangenen Kultur und doch weht ab und an die Erinnerung durch.

Ich war also in Galizien. Fühlte mich wie in einem großen Szenario des Déja vu. Literatur kann Heimat geben oder einen festen Boden, vieles sprach zu mir und die absurden Situationen im Drogobycher Hotel überraschten mich nicht. Das mußte so sein.