„Das Hemd“ von Jewgenij Grischkowez

Das Hemd
Das Hemd

Auf www.buchbestattung.de habe ich ja schon das Hin und Her um die Buchgestaltung aufgespießt, hier nun aber noch ein paar Anmerkungen zu dem Buch selbst.

Der Autor nutzt hier eine beliebte literarische Form: das Protokoll. Der Erzähler ist auch gleichzeitig die Hauptperson, er erlebt und erleidet einen Tag in der Hauptstadt Moskau, einen Tag in der Schwebe zwischen Wunschtraum und Realität, Liebessehnsucht und Freundespflicht, Alltagssituationen und heftigsten Erschütterungen.

Ich möchte dieses Buch in eine Reihe stellen:

  • [link2post id=“34″]Moskau Petuschki[/link2post] ist Wenedikt Jerofejews innerer Monolog einer imaginären Zugfahrt in der sowjetischen Stagnation
  • [link2post id=“160″]Moscoviada[/link2post] ist Yuri Andruchowytschs Schilderung eines Tages als Student in Moskau
  • Das Hemd ist ein Tag im nachkommunistischen Moskau, im hochkapitalistischen Moskau.

Alle drei Bücher haben ihre Meriten, dieses hier:
– es liest sich leicht, ist aber nicht oberflächlich
– es überrascht
– es fasziniert.

Moskau-Kenner ziehen sicherlich noch mehr Vergnügen aus der Lektüre, läßt sich doch so mancher Ort wiedererkennen

Mit Büchern leben

kann anstrengend oder auch sehr erholsam sein.

Letzteres kann man nun in Moskau genießen, genauer gesagt im Hof des Hauses Nr. 13 der Straße der Sowjetischen Armee:

Der Kater Behemoth

Lyubov Mirosenko setzte Korovyev und Behemoth, den teuflischen Kater, auf die Bank.

Beim nächsten Mal in Moskau schau ich mir das an.

So habe ich dann die Auswahl, mich zu Venitschka oder zu Behemoth zu setzen ;=)

Moskau - Petuschki: Das Denkmal für Venitschka
Moskau – Petuschki: Das Denkmal für Venitschka

Alle glücklichen Familien …

Venedikt Jerofejew: Moskau - Petuschki
Venedikt Jerofejew: Moskau - Petuschki

dieser berühmte Satz des Herrn Tolstoi ist nun wirklich jedem geläufig und da wundere ich mich, daß Herr Urban diesen Satz nicht auch aufgeführt hat im reichhaltigen Apparat, den er seiner Übersetzung des Klassikers hintanstellt.

Die wirklich nichtigsten Dinge / Assoziationen oder Gleichnamigkeiten listet er auf (Anna => siehe Anna Karenina ), aber dieses hier entgeht ihm?

Alle glücklichen Familien gleichen einander,
jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.
gegenüber

Alle Stimmen dieser Sänger sind gräßlich, aber jede gräßlich auf ihre Art ???

hat der Herr Urban da geschlampt?

Venedikt Erofeev: Moskau – Petuski: Ein Poem
Gebundene Ausgabe: 269 Seiten
Verlag: Kein & Aber; Auflage: 2., Aufl. (1. September 2005)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3036951415
ISBN-13: 978-3036951416

Venedikt Jerofejew

So langsam wächst das Material, das ich zusammentrage, jeden Tag trudeln ein paar aufregende Exemplare ein:

  • die allererste Ausgabe im Westen von „Moskau-Petuschki“, bei Albin Michel in Paris, 1976, geordert über Abebooks
  • „die letzen Tage Venedikt Erofeevs“, eine russische Ausgabe
  • die CD mit den zwei Lesungen, eine Lesung des Autors himself, eine Sendung des russischen Rundfunks
  • die CD mit dem Sänger Koslowski, der Venitschka im Kursker Bahnhof, im Bahnhofsrestaurant, so auf die Nerven geht..

ich genieße das, ist was wie in alten Studentenzeiten… das Sammeln und Sichten…

auf petuschki.net entsteht das WIKI und es gibt auch einen Film zu sehen, ein russisches Fernseh-Feature…

und wieder was aus Petuschki

heute, am 18.02.2006, sendet der Deutschlandfunkt eine Hörspielfassung:

Die Reise nach Petuschki und wer so ein schlaues Programm wie Phonostar hat, kann das sogar automatisch aufnehmen…

18.02.2006 · 20:05 Uhr
Einmal den Kreml sehen! (Bild: AP) Die Reise nach Petuschki

Von Wenedikt Jerofejew

„Warum nur bin ich ein Idiot, Dämon und Schwätzer in einem?“ Wenedikt säuft sich durch Moskau, will endlich den Kreml sehen, gelangt jedoch immer nur zum Kursker Bahnhof. Und endlich sitzt er im Zug nach Petuschki, mit Schnaps und Geschenken für die Geliebte und den Sohn …

Bald sitzt er im hochprozentigen „Dunstkreis“ von Mitreisenden, die sich traurige, tragisch-komische und wirre Geschichten erzählen – voller politischer Anspielungen und derber Anzüglichkeiten. Gogol, Lenin, Marx, Tschechow – sie alle nisten in Wenedikts Gedanken, die immer mehr verschwimmen bis in revolutionäre Fantastereien. Und ganz nebenbei wird der sowjetische Alltag und seine verschlissene Ideologie in grotesker Weise entlarvt.

Übersetzung aus dem Russischen: Natascha Spitz
Bearbeitung: Regina Moths
Regie: Ulrich Gerhardt
Darsteller: Rufus Beck
Produktion: Bayerischer Rundfunk 1992
Länge: 113’29

Wenedikt Jerofejew, geboren 1938 bei Murmansk, gestorben 1990 in Israel. Seine Werke gingen verloren, nur die „Reise nach Petuschki“ (1970) fand unter der Hand in Russland große Verbreitung.

Die Programmankündigung des DLF ist nicht ganz auf dem Laufenden, die Aufzeichnungen eines Psychopathen gibt es ja inzwischen auch in Übersetzungen..

Wenedikt Jerofejew: Aufzeichnungen eines Psychpathen

Aufzeichnungen eines Psychopathen
Aufzeichnungen eines Psychopathen

Harry Rowohlt las aus diesen Aufzeichnungen im Literaturhaus und so habe ich erst erfahren, daß dieses Erstlingswerk von Jerofejew nun übersetzt ist.

Dieses Werk ist ein Jugendwerk, es läßt den Genius durchscheinen, ist aber nicht so dicht und konzentriert wie Petuschki, aber wie denn auch.

Es gelang mir, beim Zuhören in der Originalausgabe mitzublättern und mitzulesen und es ist sehr nah am Original übersetzt, schon wahr.

Und jetzt werde ich es wohl mal angehen, es vollständig lesen, vielleicht inspiriert es mich zu etwas. Wie war der letzte Satz?

Etwas war

Wenedikt Jerofejew: Aufzeichnungen eines Psychopathen.
Gebundene Ausgabe – 180 Seiten – Tropen
Erscheinungsdatum: April 2004
Aus dem Russischen von Thomas Reschke. Mit einer editorischen Notiz von Sergei Gladkich. Tropen-Verlag, Köln 2004.

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