Boris Pasternak in Peredelkino Der Friedhof in Peredelkino

Musikzimmer seiner Frau Sinaida Neuhaus

Meine Schöne, deine ganze Gestalt,
dein ganzes Wesen ist mir nach dem Herzen,
es drängt ganz danach, Musik zu werden,
und bittet ganz um Reime.

In den Reimen aber stirbt das Geschick,
und die Disharmonie der Welten
geht als Gerechtigkeit in unsere kleine
Welt ein.

Und der Reim ist nicht die Wiederholung von Zeilen,
sondern eine Garderobennummer,
ein Talon für einen Platz bei den Säulen
in das jenseits des Grabes gelegne Getöse
der Wurzeln und Schöße.

Und in den Reimen atmet jene Liebe,
die hier nur mit Mühe zu ertragen ist,
vor der man die Augenbrauen mürrisch zusammenzieht
und die Nasenwurzel runzelt.


Und der Reim ist nicht eine Wiederholung von Zeilen,
sondern der Eintritt und der Einlaß über die Schwelle,
um abzugeben, wie den Mantel für eine Blechmarke
die schwere Last der Krankheit, die Furcht
davor, ins Gerede zu kommen, und vor Sünde
für die laute Blechmarke des Verses.

Meine Schöne, dein ganzes Wesen,
deine ganze Gestalt, du Schöne,
bedrängt die Brust und zieht [mich] fort auf den Weg
und zieht mich, daß ich singe, und - gefällt.

Polyklet hat zu dir gebetet,
deine Gesetze sind erlassen.
Deine Gesetze sind in den Fernen der Jahre.
Du bist mir von eh und je bekannt.

1931

Das Bild zeigt das Musikzimmer seiner Frau Sinaida Neuhaus

Originalversion

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