Das MIMI Festival 1998

Das MIMI-Festival fand heuer zum 15. Male statt und wie jedesmal folgte es dem selbstgesetzten Ziel, das Publikum zu überraschen mit nie oder noch nicht Gehörtem...

Aber mehr noch, MIMI verfolgt ein kulturpolitisches Ziel: die Vielfalt der Kulturen gegen die kulturelle Verkleisterung zu setzen, offene Kultur gegen einengende Nationalismen und dies alles ohne allesumarmenden "Weltmusik-Kosmopolitismus", der alles verwischt und zukleistert.

Ferdinand RichardNein, Ferdinand Richard und seine Truppe halten sich an die Maxime, "daß das Schließen einer Tür alle schließt" und öffnen die Türen erneut: für die Musiker, die ein Publikum finden und für das Publikum, das im Gegenzug dazu seine Ohren öffnet. Festival MIMI 1998


Eine Tür schließt sich dann, wenn ein Mensch vergessen ist, und MIMI 98 war das erste Festival seit Tom Cora's Tod. Seine Tür steht noch offen, sein Bild war während des gesamten Festivals präsent, auf den Festivalplakaten wiedergegeben, Platzlinger gedachte seiner während des Auftritts, viele der Freunde vermissten ihn.

Ein Festival ist ein Angebot an den Besucher: aus dem Programm möge er sich herauspicken, was ihn interessiert und danach möge er entscheiden, ob das Dargebotene ihm zusagt oder nicht.

Ist der Besucher von der neugierigen Sorte, hört er den Konzerten zu, bis sein Aufnahmevermögen überschritten ist, danach trifft er sein Urteil.
Ist der Besucher nicht so mutig, verläßt er sich auf das ihm Bekannte und pickt die Veranstaltungen heraus, die er kennt, andere Darbietungen nimmt er vielleicht wahr, weil sie sowieso auf dem Abendprogramm stehen... Théâtre Antique, Arles

Nun soll ein Festival auch Überraschungen bieten und ist dies programmatisch gewünscht, dann werden die letztgenannten Besucher viel versäumen....
 
Eine nicht eingeplante Überraschung bot der erste Konzert-Abend, als statt der tschechischen Gruppe UZ JME DOMA Skl'Emst auf die Bühne des Antiken Theaters in Arles kam, denn der Schlagzeuger der Tschechen lag im Hospital. Skl'Emst vergleichen ihre Musik mit einem Film, der seiner Geschichte beraubt ist und verweigern sich der Einordnung in musikalische Kategorien. Nun gut, das junge Ensemble stellte sich vor, konzentriert spielten sie, ich konnte ihrem entblößtem Film jedoch nicht viel abgewinnen.

Das zweite Ensemble, AKA MOON, eine belgische Kombo aus der Innovatoren-Ecke (so die Ankündigung) zeigte, was es alles kann: ein Stückchen nach dem anderen führten sie uns ihre Talente vor, aber es fehlte die Dynamik und der dramaturgische Zusammenhalt, der aus einer Folge von Geräuschen, Musiken etc. ein Konzert macht...Chef Menteur,Lyon

Der zweite Abend brachte gleich eine fesselnde Inszenierung: Chef Menteur aus Lyon überraschten mit ihrem 'experimentellen Varieté', eine Auftrittsform, die in Europa nicht sehr oft zu sehen ist: theatralische Effekte, musikalisch unterlegt, Varieté-Einlagen, Literatur-Zitate... fast eine 'russische Mischung', wie sie zum Beispiel vom NXA aus Chelyabinsk zelebriert wird. Ihr Programm war das reine, absurde Vergnügen, ohne Schenkelklopfen, dafür gespickt mit Daniel Charms - Zitaten. Dies schlug den Bogen zum Moscow Composers Orchestra am vierten Abend, denn auch bei ihnen kam der vielgeliebte, nicht mehr vergessene Dichter zu Wort.


Gegensätzlichere Acts als die berstende Vitalität von DJ RITU's Asian Equation und die öden Töne Terry Riley's kann es wohl nicht geben.

DJ RITU's Asian Equation: Eine Mixtur, wie sie zur Zeit in London bestens gemischt wird: London-Pakistani New Wave, Techno, Sitar, tabla, ein Tänzer in der Tradition der Volksfest - Transvestiten Pakistans ... Power, Energie, Lebenslust, Wettkampf und auch ein Spiegel, den die Musiker uns vorhielten, indem sie zur Gleichberechtigung und Toleranz aufriefen. (Die Nachtvorstellung vermittelt einen Eindruck...)

Danach dann das Terry Riley Duo (mit Scodannibio am Kontrabaß): für viele die Möglichkeit, den berühmten Komponisten einmal live zu erleben. Terry Riley, Yamaha Die Säule der minimalen Musik, der Großmeister der Wiederholung in einem klassischen Ambiente, im einem römischen Theater... der großartigen Kulisse setzte er seine Banalismen entgegen, klimperte auf der Yamaha und flüsterte in langgedehntem Sprechgesang von Chinaboy and Chinagirl, looking at embroidery....
Ich hielt das nicht aus, die Peinlichkeit, nicht zu erkennen, wenn ein Zenith überschritten ist, bedrückte mich. Terry Riley, die Ilse Werner der Neuen Musik?Peter Holliger

Die Stimmung verbesserte sich, als am Tag darauf ein alter Freund, Peter Hollinger, zusammen mit dem Österreicher Platzgummi auf die Bühne kam. Platzlinger, ein musikalisches Gewitter voller Spannung und Dynamik, gemischt mit offensichtlicher Spielfreude. Da drückt Peter schon mal den Zigarettenstummel auf der Cymbal aus um weiterzuspielen...

Moscow Composers Orchestra Nach diesem Duo mit den Wurzeln im Rock dann das Moscow Composers Orchestra, mit Kompositionen von Vladimir Miller und Alexander Alexandrov eine Brücke schlagend zwischen russischer Polystilistik und westlicher zeitgenössischer Musik. Eine interessante Mischung, die etwas unter Ungenauigkeit litt, sind doch die Probemöglichkeiten der Musiker stark eingeschränkt, Sainkho Namchylakdurch fehlendes Geld und die große geographische Entfernung zwischen Rußland, Litauen, Deutschland und Großbritannien, das Orchester lebt größtenteils in der Diaspora.

Ein anregendes Konzert und für viele der Zuhörer die erste Begegnung mit solcher Musik, auch eine offene Tür... Für Sainkho Namchylak war es nach langen Anläufen endlich die Gelegenheit, bei MIMI aufzutreten und es war eine große Freude.


Jedem dieser Konzertabende folgte dann für die Unermüdlichen die Open Stage, ein paar Häuser weiter, in einem Saal. Eine gänzlich andere Veranstaltung mit ihrem eigenen Reiz.

Wir mußten am Montag morgen abreisen und so konnte ich leider den letzten Konzertabend nicht mehr verfolgen. Deshalb fehlen hier Java und das Veillistic Orchestra.

Danke schön, Ferdinand Richard, AMI and MIMI!

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