Karl Kraus zum zweiten

bin ich doch ins Besinnen gekommen, was mir Karl Kraus sagt, wann ich ihn gelesen habe, ob ich ihn gelesen habe…

ich erinnere mich an die Zeit des Cafés Morgenröte in Wiesbaden. Das war für 4 Jahre mein Unternehmen und meine Arbeitsstelle und mein Bankrott nach der Lehrer-Ausbildung. Ich wünschte mir immer einen Literaten in meinem Café und dann kam mein Literat. Er wurde Stammgast. Er kam jeden Tag, verbrachte Stunden mit Lektüre, schrieb und schrieb. Lange Texte. Und immer hatte er die Fackel dabei und zitierte ab und an auch daraus.
Mir war mein Studium noch zu nahe, mit viel Nestroy, Doderer, Musil und anderen literarischen Österreichern, und so bemerkte ich zwar die geschliffene und treffende Ironie bei Kraus, hatte aber nicht die Muße, Zeit und Lust, dieses Werk anzulesen. (Hat es schon mal jemand aus-gelesen?

Dann schloß ich das Café, da bankrott, und suchte eine neue Existenz.
Verließ Wiesbaden.
Später erfuhr ich dann, daß mein Literat nicht mehr lebte. Er war freiwillig aus dem Leben geschieden.

Wenn ich jetzt Die Fackel lesen werde, wird Frank immer am anderen Tisch sitzen und einen Tee trinken.