Bruno Schulz: sein 120.ter Geburtstag

am 12. Juli 2012 war der 120.te Geburtstag von Bruno Schulz zu feiern. Und er wird inzwischen auch gefeiert, jedenfalls wahrgenommen. So findet gerade in Drohobycz, seiner Geburts- und Todesstadt, das Schulzfest statt, ein Festival zu seinen Ehren. Es endet heute am 12.09.

Das Festival trägt den Titel: „The Ark of Bruno Schulz’s Imagination“ und findet zum 5. Male als „Internationales Bruno Schulz Festival“ statt. Ich muß aufmerksamer sein, ich wußte bisher nichts von dieser Veranstaltung.

Informationen über das Festival und zum Verlauf des Festivals gibt es im Festivalblog.

Im WDR berichtete Martin Sander über dieses Festival. Sie können den Bericht auf der WDR-Seite nachhören. Martin Sander schrieb auch den Aufsatz „Ein Ukrainier ist nicht immer ein Ukrainer“, auf den ich schon auf dieser Seite hingewiesen habe.

Leider habe ich auch versäumt, die Installation „Die Bilderkammer des Bruno Schulz„, die bis zum 9. September in Hamburg gezeigt wurde, zu besuchen. Benjamin Geissler, der zusammen mit seinem Vater die Wandbilder Schulzens aufgespürt hatte, zeigte in der Sammlung Falckenberg eine Videoinstallation zu diesem Thema. (Ein Besuch dieser Installation wäre für mich sicherlich lohnender gewesen als die langweilige Documenta, auf der ich 3 Tage lang die Kunst suchte und nur Projektwochen-Ergebnisse zu sehen bekam.)

Ich werde versuchen, mir wenigstens den Katalog dieser Ausstellung zu besorgen. Informationen über die leider nun beendete Ausstellung findet man auf der Seite der Deichtorhallen Hamburg. Dort steht auch ein Artikel  des Sammlers Harald Falckenbergs zum Download.

Nachtrag: 5 Geschichten vom Winter

Andrzej Stasiuk
Andrzej Stasiuk

Andrzej Stasiuk hat es auf die Insel geschafft, er ist in die Insel Bücherei aufgenommen worden. Das ist eine Ehre für ihn und ein Glück für uns Leser.

5 Geschichten sind in diesem Bändchen versammelt, die verstreut veröffentlicht waren. Fünf Geschichten, in denen eigentlich nichts geschieht und in denen doch das ganze Leben steckt.

Mehr als empfehlen kann ich dieses Buch nicht und als Geschenk ist es immer ein guter Tip.

Andrzej Stasiuk: Winter: Fünf Geschichten
broschiert: 63 Seiten
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (16. September 2009)
ISBN-10: 345819322
ISBN-13: 978-3458193227

Die Zimtläden in neuer Übersetzung

In der Rubrik „Galizien“ hier auf dieser Seite findet man immer wieder Bruno Schulz.

Bruno Schulz, Die ZimtlädenSeine Zimtläden waren das erste Buch von ihm, das ich als junge Studentin las. Dann kam ich ja zur Jahrtausendwende in seine Heimat, nach Drogobycz in der Ukraine. Und seitdem berichte ich über ihn hier in meinem Lesebuch.

Nun ist die gerühmte Übersetzung von Doreen Daume auch als Taschenbuch erschienen. Diese Übersetzung hat überschwenglichstes Lob erfahren (siehe Perlentaucher) und ich mußte das Buch natürlich kaufen.

Gelesen habe ich diese Ausgabe noch nicht. Das wird zwischen den Jahren geschehen. Dann werde ich auch den Essay David Grossmans, der dem Buch beigefügt ist, lesen.
Ich bin gespannt.

Bruno Schulz: Die Zimtläden
übersetzt von Doreen Daume
Taschenbuch: 208 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Dezember 2009)
ISBN-10: 3423138386
ISBN-13: 978-3423138383

Bilder finden

ist der Titel des Dokumentarfilms von Benjamin Geissler über die Suche nach den Fresken, die Bruno Schulz 1942 in der Wohnung des SS-Hauptmannes Landau malen musste.

Ein eindrucksvolles Portrait der Menschen, die Geissler zusammen mit seinem Vater bei der Suche traf, mit denen er sprach, suchte und fand.

Ghettomauer in DrogobyczDie Gedächtnismauer an die Vernichtung der jüdischen Bevökerung in Drogobych

Die Bedeutung Schulz‘ als Dichter, als polnischer Kafka, das schwierige kulturelle Klima in der Westukraine, die Ignoranz und der latente Antisemitismus der ukrainischen Bevölkerung wurden leider nicht sehr deutlich.

Das hätte die Brisanz des gesamten Themas noch verstärkt. Aber was maße ich mir Kritik an. Das Verdienst der beiden Geissler, die Fresken gefunden zu haben und den Verlust, den Raub durch Yad Vashem dokumentiert zu haben, ist nicht hoch genug einzuschätzen.


Link zur Seite des Films: Bilder finden

Und wieder wird Bruno Schulz vereinnahmt

Bruno Schulz
Bruno Schulz

die Süddeutsche veröffentlicht am 23.08.03 eine Erzählung des jungen Erzählers Gernot Wolfram: „Die Fresken„. (nicht mehr online)

Das ist nichts Ungewöhnliches und auch nichts Besonderes. Aber die Erzählung ist ärgerlich. Grund: Es geht um Bruno Schulz, den polnisch-jüdischen Dichter aus Drohobyzch, Kafka-Übersetzer und Maler, Sklave eines Offiziers, von einem Oberscharführer erschossen.

Bruno Schulz ist der Verfasser der Zimtläden, einer Sammlung surrealistischer, äußerst dichter Geschichten. Bruno Schulz war lange Zeit vergessen. In den 60er Jahren wurde sein Werk auch ins Deutsche übersetzt, bei Hanser verlegt. In letzter Zeit wurde er wieder wahrgenommen, als der deutsche Filmregisseur Benjamin Geissler zusammen mit seinem Vater die Fresken wiederentdeckte, die Schulz gezwungenermaßen in der Villa des Offiziers malen mußte.

Kurz nach den ersten Berichten über diese Entdeckung wurden diese Fresken von Mitarbeitern der Gedächtnisstätte Yad Vashem aus Israel rechtswidrig entfernt und in einer Nacht- und Nebel-Aktion aus der Ukraine nach Israel verbracht. Eine kriminelle Annektion.

Und nun kommt dieser junge Mann daher, und schreibt eine Erzählung über diesen Kunstraub, in der Erzählhaltung eines der Beteiligten, mit schlechter Syntax, stilistischen Schwächen. Aber darum geht es nicht.
Es ist die Erzählhaltung, die ich verabscheue.

Er versucht leiseste Skrupel des Ich-Erzählers herauszuarbeiten, die er mit der ruhigen Selbstgewissheit und dem Ehrgeiz der anderen Kunsträuber, anders kann ich das nicht nennen, konfrontiert.

Aus Bruno Schulz macht er den Schriftsteller und Maler Zimt, Benjamin Geissler heißt Berger und ansonsten wird einfach erzählt. Er vereinnahmt das Schicksal des unglücklichen Schulz für eine pseudoliterarische Rechtfertigung des Kunstraubes.

Ich meine, hier wird Bruno Schulz wieder zum Opfer gemacht.
Genauso wie ihn Ugo Riccarelli in dem unsäglichen Machwerk Ein Mann, der vielleicht Schulz hiess zum Opfer machte.

Beide Autoren vereinnahmen den wehrlosen Autoren ebenso wie Yad Vashem ihn als israelischen Künstler vereinnahmt oder wie er in der Yahoo-Gruppe Bruno Schulz auf seine ethnische Zugehörigkeit reduziert hysterisch hochstylisiert wird.

Was soll das?
Warum vergreifen sich die schlechten Schreiber an Bruno Schulz?
Und warum veröffentlicht die Süddeutsche solch einen Schund in ihrer Wochenendausgabe?


Der Autor gibt auch Lesungen und die Lesungen werden z.B. so angekündigt:

Gernot Wolframs Geschichten berichten von Menschen, die plötzlich in eine Situation des Zweifelns geraten. Mit einem Mal werden ihre Überzeugungen brüchig, stimmen nicht mehr, verändern sich. Zum Beispiel geht es um einen Journalisten, der glaubt einem Verbrechen auf der Spur zu sein, dann, weil er das falsche Foto schießt, selbst unter Verdacht gerät. Eine Gruppe israelischer Restauratoren stößt in einer Villa in der Ukraine auf die Fresken des ermordeten Dichters Bruno Schulz ….

ja ja, die Täter, Kunsträuber stoßen plötzlich auf die Fresken. Klar, ein Dieb trifft zufällig auf die Beute.

Zygmunt Haupt: Ein Ring aus Papier

Zygmunt Haupt
Zygmunt Haupt

Stasiuk empfiehlt Zygmunt Haupt und ich folgte seiner Empfehlung.

Dieses Buch erzählt aus dem Leben Galiziens und Podoliens, in knapper, eindrucksvoller Sprache.

So möchte man meinen. Aber es gelingt mir nicht, es zu lesen, es aufzunehmen.
Ich lese eine Geschichte, gerate in die nächste Geschichte, merke nicht, daß jede Geschichte für sich steht und kann mich auch nicht erinnern, was ich gelesen habe.

Ich denke, ich bin nicht die richtige Leserin für dieses Buch. Oder noch nicht. Denn an Zygmunt Haupt kann es nicht liegen.

Kurzbeschreibung:

Was ist das Glück? Erinnerung, ein Stück gelebten Lebens, das zum Eigentum geworden ist. Man kann zwischen zerbrochenen Spielsachen sitzen, zwischen Spänen, Kletten und Gras oder mitten in einer Landschaft und aus dieser zerstreuten Welt eine neue Gestalt bilden. Das schmale Oeuvre von Zygmunt Haupt (1907-1975) ist eine einzige Beschwörung dieser für immer verlorenen Welt der Kindheit. Aufgewachsen in Podolien, einem Grenzland mit seinen verschiedenen Sprachen und Volksgruppen, erlebt er, am Gartenzaun stehend, das Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie. In seinen Texten mit so faszinierenden Titeln wie „Madrigal für Anusia“, „Von Stefcia, Chaim Immerglück und den skythischen Armbändern“ oder „?Aus der Chronik vom fliegenden Haus“ gewinnen die weiten, melancholischen Landschaften des europäischen Ostens, die endlosen Wälder, aber auch der Theodorplatz in Lemberg oder eine Straße in Paris eine sinnliche Prägnanz, die den Malerdichter verrät. Wenngleich Haupts Sprache in ihrer Durchdringung von Imagination und Expression zu den größten Errungenschaften der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts gehört, wurde dem Schaffen dieses Emigranten nie die Aufmerksamkeit zuteil, die seiner Originalität gebührt. Erst 1997, dank des Engagements Andrzej Stasiuks, der ihn als seinen „Lehrer“ bezeichnet und eine Neuausgabe im eigenen Verlag publizierte, wird Zygmunt Haupt in Polen entdeckt.


Wenn die komprimierte Form der Zeit die Langeweile ist, insbesondere die Langeweile der Lektüre, dann machen wir bei Zygmunt Haupt die umgekehrte Entdeckung. Das Buch fällt uns an, weil die Macht unserer Wahrnehmung zu beschränkt ist, um all das zu begreifen und zu erfassen, was uns der Autor auf einer oder zwei Seiten vorsetzt.

Andrzej Stasiuk


Zygmunt Haupt: Ein Ring aus Papier
Gebundene Ausgabe – 346 Seiten – Suhrkamp
Erscheinungsdatum: März 2003
ISBN: 3518414291