Volltext

ich glaube, ich habe die Literaturzeitung Volltext noch nicht vorgestellt.
Aber ich kann sie nur aus vollstem Herzen empfehlen.

Dmitrij Prigow
Dmitrij Prigow
Schon das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe 02/08 zeigt die interessanten Themen, zeigt auf, wie jenseits des Mainstreams Autoren vorgestellt, gewichtet, gewürdigt werden.

So findet sich ein langes Interview mit [link2post id=“77″]Dima Prigow[/link2post], das wenige Wochen vor seinem überraschenden , unerwarteten Tod geführt wurde, ebenso wie ausführliche Essays.

So schreibt Ernst-Wilhelm Händler „Der Zwang zum Bewusstsein. Zur deutschsprachigen Prosa der Gegenwart


Daraus ein kleiner Ausschnitt, ansonsten: kaufen Sie Volltext, abonnieren Sie Volltext!

Die gute Nachricht der Simulation von Literatur ist: Der Autor spricht im Roman nicht ständig von sich selbst. Das wäre kontraproduktiv, die Leserin würde kaum bereit sein, sich in den Autor hineinzuversetzen. Die schlechte Nachricht: Die Autoren sprechen außerhalb ihrer Bücher von nichts anderen als von sich selbst. Dabei korreliert das Unsäglichkeitsmaß der Selbstinszenierungen hochsignifikant mit dem Alter der Regieführenden.

Dima Prigow ist tot.

Dmitrij Prigov

Ich habe wieder einen Freund verloren.

Ich kannte ihn aus Erzählungen. Ich hatte seine Bücher gelesen.
Aber persönlich trat er in mein Leben im Frühjahr 1992.
Bei einem FreeJazz-Konzert im „Bunker“ in Moskau trat ein Mann in deutscher Bundeswehrjacke vor die Musiker und begann zu rezitieren.
Ich war fasziniert. Ich erfuhr seinen Namen: Dmitri Alexandrowitsch Prigov.
Viele Male haben wir uns seitdem getroffen, in Deutschland, Frankreich, Rußland.
Zuletzt auf der 2. Moskauer Biennale für Zeitgenössische Kunst.
Er war immer da.

Jetzt fehlt er uns.

doch, ich lese noch

Georgisches Album
Georgisches Album

war nur mehr mit Bildhafterem beschäftigt als mit Lesen. Wenn ich es denn so sehen möchte.

Ich habe auf der Reise jedenfalls eher Zugfahrpläne oder das russische Wörterbuch gelesen. Aber auch einige Bücher erstanden:

in Pisa die italienische Übersetzung von Jessenin-Gedichten und von Jerorfejews „Reise nach Petuschki“. Wird meine Fotoarbeit bald auch in italienisch prangen…

Und in Russland das neue Buch von D. Prigrow, „tri grammatika“.
Mit seinem Buch „Lebt in Moskau“ habe ich mich lange gequält, es kam mir langweilig, wiederholte sich, ich habe es beiseite gelegt.

Neu erstanden habe ich auch eine Zusammenstellung von Zeitzeugnissen und Gedichten von Anna Akhmatova: „At Tsarskocelskye Lip“ …

tja, jetzt lese ich Andrej Bitovs Georgienbuch und bin begeistert.

Dmitrij Prigow

ist zu Gast bei uns. Wir kennen uns schon lange Jahre und ich habe eigentlich alle erreichbaren Bücher im Regal, wenn auch die meisten in der russischen Version und da muss mein Besitzerstolz reichen, lesen kann ich es vielleicht in ein paar Jahren. Mein Russisch ist zu schlecht.

Dima schreibt Prosa, Lyrik, ist Sound-Poet. Seine Lesungen gehören zu den aufregendsten und er ist grandios im Improvisieren mit Musikern.

Seine historische Rolle als Konzeptkünstler in Moskau und seine aktuelle Arbeit als Registrator der Gegenwart.

Am Mittwoch liest er im Literaturhaus Hamburg, im Rahmen eines Konzertes der neuen Reihe „Jazz und Literatur“ des Jazzbüro Hamburg und des Literaturhauses Hamburg

Osteuropa

Nun war ich ja sehr oft in Russland und auch wenn dieses riesige Land sich bis in den Fernen Osten erstreckt, besitzt es doch einen sogenannten europäischen Teil. Die Grenze zwischen Europa und Asien verläuft entlang des Ural. Dies ist eine willkürliche Grenzziehung, entstanden aus historischen Gegebenheiten, und doch macht sie uns augenfällig, daß dort Osteuropa zu Ende geht.

Während meiner Reise in die Ukraine im vergangenen Winter erlebte ich in Lviv / Lemberg den Kontrast zwischen der zentraleuropäischen Vergangenheit, geprägt durch die österreichisch-ungarische Herrschaft, und der Gegenwart, die immer noch durch die Katastrophen des 2. Weltkrieges mit allen Folgen des Holocaust, der Bevölkerungsverschiebungen und Vertreibungen und die Katastrophe der Sowjet-Zeit geprägt ist.

Immer wieder jedoch scheint heute die Idee Zentraleuropas durch, der Dialog mit Polen, die Annäherung und die Furcht vor der Ausgrenzung aus Europa durch die Europäische Union. In Lviv erscheint eine hochinteressante Zeitschrift, Ï, die in ukrainischer, deutscher und deutscher Sprache herausgegeben wird. Die interessanten Themen dort machten wir deutlich, daß sich Europa in der Zeit seit 1989 grundlegender gewandelt hat, als wir es wahrnehmen (wollen).

Czarne Verlag
Czarne Verlag
Im zweiseitigen Denken der letzten 50 Jahre (hier Westeuropa und die Freiheit – dort Osteuropa und die Unfreiheit) wurde Zentraleuropa nicht wahrgenommen. Und meine geschichtliche und politische Sozialisation hat mein Weltbild und meine Vorstellungen geprägt, die nun langsam ins Wanken geraten, je mehr Zental- oder Mitteleuropa „zur Sprache kommt“. Ich bin fasziniert und neugierig, freue mich über die Diskurse in der deutsch-polnischen Zeitschrift TransOdra geführt werden und empfinde fast schmerzhaft daß hier die Themen sind, die unsere Gegenwart bestimmen.

Czarne Verlag
Czarne Verlag
Schmerzhaft empfinde ich, daß ich viele der Beiträge nicht verstehen kann, da ich kein Polnisch und Ukrainisch oder zu wenig Russisch verstehe, und deshalb beispielsweise die interessanten Veröffentlichungen aus dem Czarne Verlag von Andrej Stasiuk, der nicht nur ein wunderbarer Erzähler, sondern auch ein ambitionierter Verleger ist, nicht lesen kann.


Ich sehe einen Prozess der Integration in einer dis-integrierten Zeit und das beschäftigt mich. Dieses Thema wird mich nicht loslassen, es drängt sich mir auf und läßt sich nicht beiseite drängen. Ich hoffe, ich finde die Zeit, mich ihm intensiver zu widmen.

Ein Beispiel für meine persönliche Herangehensweise:


[link2post id=“898″]Moskau – Lemberg: eine poetische Topographie[/link2post]

Es reizte mich, Zitate aus zwei Gedichten von Dmitri Prigow und Adam Zagajewski einander gegenüberzustellen: