Wider das Verschwinden der Literatur

der von mir hochgeschätzte Andrej Bitov, gerade 70 geworden, schreibt in der Neuen Zürcher Zeitung:

Es gibt keine Kriterien. Wenn Bunin, Pasternak, Scholochow, Solschenizyn und Brodsky grosse Literatur sind, dann weiss ich nicht, was das ist. Vielleicht bewahrt sie die Sprache, vielleicht die Seele . . . Sie weiss selbst nicht, wer sie ist, wie ein lebendiger Mensch.

Und das ist ihre unvergängliche und grandiose Rolle.

Wir verlieren die beste Form des Austauschs, wenn wir sie zu lesen verlernen. Für eine Menschheit, die in die Verwahrlosung der Vereinzelung driftet und dermassen nach Vergnügungen strebt, ist das reichlich merkwürdig und unökonomisch.

Lesen Sie selbst! Es ist wichtig!

doch, ich lese noch

Georgisches Album
Georgisches Album

war nur mehr mit Bildhafterem beschäftigt als mit Lesen. Wenn ich es denn so sehen möchte.

Ich habe auf der Reise jedenfalls eher Zugfahrpläne oder das russische Wörterbuch gelesen. Aber auch einige Bücher erstanden:

in Pisa die italienische Übersetzung von Jessenin-Gedichten und von Jerorfejews „Reise nach Petuschki“. Wird meine Fotoarbeit bald auch in italienisch prangen…

Und in Russland das neue Buch von D. Prigrow, „tri grammatika“.
Mit seinem Buch „Lebt in Moskau“ habe ich mich lange gequält, es kam mir langweilig, wiederholte sich, ich habe es beiseite gelegt.

Neu erstanden habe ich auch eine Zusammenstellung von Zeitzeugnissen und Gedichten von Anna Akhmatova: „At Tsarskocelskye Lip“ …

tja, jetzt lese ich Andrej Bitovs Georgienbuch und bin begeistert.

Andrej Bitov: A Captive of the Caucasus

Captive of the Caucasus
Captive of the Caucasus

1972 schrieb Andrej Bitov Uroki Armeni, die 1989 in Deutschland unter dem Titel Armenische Lektionen, eine Reise in ein kleines Land in der Sammlung Luchterhand erschienen.

Mittlerweile ist 1992 eine aktualisierte Fassung dieses wichtigen Werkes in englischer Sprache erschienen:
A Captive of the Caucasus in Anspielung auf Puschkin’s Ballade Der Gefangene im Kaukasus.
Diese Neu-Auflage ist durch Passagen ergänzt, die wegen der Zensur in der Erstfassung nicht erscheinen konnten und ist somit eigentlich die Erstauflage dieses wichtigen Werkes.

Andrej Bitov: A Captive of the Caucasus
Gebundene Ausgabe – 323 Seiten (Juni 1992)
Farrar Straus Giroux; ISBN: 0374118833


Armenische Lektionen
Armenische Lektionen


Inzwischen ist auch die deutsche Ausgabe erschienen:

Armenische Lektionen. Eine Reise aus Rußland
Gebundene Ausgabe – 233 Seiten – Suhrkamp
Erscheinungsdatum: Februar 2002

Andrej Bitow: Mensch in Landschaft. Eine Pilgerfahrt.

Mensch in Landschaft
Mensch in Landschaft

Ich erinnere mich an einen wunderbaren Sommer, zu Gast auf der Datscha Vladimir Tarasovs in Weißrußland.

Ich lag im Liegestuhl, genoß die Ruhe und die anregende Lektüre dieses Werkes.

Vladimir, der eine seiner endlosen Angel-Sessions vorbereitete, schmunzelte, wollte mir aber nicht verraten, warum…

nun denn:
Stellen Sie sich eine Gruppe eigenartiger Affenforscher im Kaukasus vor, die über die Welt diskutieren:

Ich fragte Dragamaschtschenka, welches das erste Kleidungsstück des Menschen gewesen sei, doch er konnte mir nicht antworten. Giwiwowitsch zeigte großes Interesse, und ich gab ihm den Tip: die Pistolentasche. Der Trommler griff das Thema auf, sicher behauptete er, die erste Musik und überhaupt die erste Kunst sie die Trommel gewesen. So erwies sich auch der Trommler als interessanter Mensch… Wir sprachen über den grossen Tarassow. „Wladimir Petrowitsch?“ fragte Giwiwowitsch argwöhnisch. Ach, ich hatte vergessen, daß man keine Namen nennen darf!

Inzwischen hat sich der Kreis geschlossen:

Bitov liest Puschkin
Bitov liest Puschkin

Im Puschkin-Jahr 1999 traten Vladimir Tarasov und Andrej Bitov mit Freunden in Berlin auf und so lernte ich den Vorsitzenden der russischen PEN-Vereinigung auch persönlich kennen.

Andrej Bitow: Mensch in Landschaft. Eine Pilgerfahrt.
Taschenbuch – 458 Seiten (1997)
Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbek
ISBN: 3499221519